Der Kraehenturm
würde.
Eingehend betrachtete er Gismara. Das erste Mal, dass er wirklich Gelegenheit dazu hatte. Ihre samtweiße Haut schimmerte verführerisch im Feuerschein. Verfluchtes Miststück! Das hatte man davon, wenn man sich mit einer Hexe einließ. Sie verwirrten die Gedanken und legten ihren Zauber über ahnungslose Männer.
Er beobachtete, wie sie den Arm hob. Obwohl er wusste, dass sie ihn nicht beachten würde, warnte er sie. » Das würde ich nicht tun.« Wie erwartet, ignorierte sie ihn. Das Eisen brannte sich zischend in ihr Fleisch.
Der Hass, der sich in ihren Augen widerspiegelte, ließ ihn auflachen. »Sagt mir, warum Ihr Zacharas getötet habt und wer Euch dabei geholfen hat, und ich werde Euch nicht leiden lassen.«
Sie spuckte ihm ins Gesicht. Die Nadeln, die ihr Haar hielten, lösten sich, und ihre Locken fielen rot schimmernd herunter. Silas wischte sich den Speichel ab, dann stellte er einen Tisch neben die Hexe, sodass sie ihn genau beobachten konnte, als er eine schwere Tasche hervorholte.
Gismara spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich, als der Priester die erste Zange auf den Tisch legte. Ihr folgten weitere in allen Größen und Formen, dann Messer, Nadeln, Klammern, verschiedene Flüssigkeiten, ein Kohlebecken, Brandeisen und ein Glas mit unzähligen kleinen Eisenkugeln.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Hazecha hatte sie zahlreiche Bücher über Hexenverfolgung und Folter lesen lassen, sodass sie wusste, was ihr bevorstand. Wie konnte ein Mann Gottes Derartiges tun? Und woher wusste ein einfacher Priester, dass sie kein Eisen berühren konnte, ohne vor Schmerzen aufzuschreien?
Der Diakon setzte sich neben sie. In den Händen drehte er das Glas mit den Eisenperlen. Die Kugeln rasselten, als sie aneinander vorbeiglitten. »Ich werde Euch zwingen sie zu schlucken, wenn Ihr mir nicht die Wahrheit sagt. Es ist ein äußerst schmerzhafter Tod. Sie fressen sich durch Eure Eingeweide, bis nur noch ein qualmender Kadaver von Euch übrig ist.«
Was wollte dieser Mann von ihr? Woher kannte er Zacharas, und warum glaubte er, sie habe ihn getötet? Nur weil sie eine Hexe war? Zorn stieg in ihr auf, verdrängte die Angst.
»Ich habe Zacharas nicht umgebracht. Bis gestern wusste ich nicht einmal von seinem Tod.« Ihre Stimme brach, als die Erinnerungen sie einholten. Gismaras Mutter hatte einst Zacharas Vater geholfen, einer Seuche auf seinen Ländereien Herr zu werden. Zum Dank hatte sie bis zu ihrem Tod unter seinem Schutz leben dürfen, und die beiden Kinder waren Freunde geworden. Dann war ihre Mutter gestorben, und die achtjährige Gismara zog fort zu ihrer Tante. Durch Zufall trafen sie und Zacharas sich in Heidelberg wieder und erneuerten ihre Freundschaft, trotz seiner ständigen Versuche, ihre Seele retten zu wollen.
»Ich finde es sehr zuvorkommend von den Bergleuten, dass sie uns einige Möbel zurückgelassen haben.« Der Priester klopfte mit der Linken gegen den Hocker, auf dem er saß. »Zwar etwas morsch, aber es wird reichen.«
Gismara konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Sinthgut hatte ihr zahlreiche Gaben verliehen. Der Diakon kratzte nur an der Oberfläche, wenn er in ihr eine einfache Incantatrix sah. Sie spürte das Gestein, die Erde um sich herum und die Einsamkeit. Hilfe von außen war nicht zu erwarten. Grimmig prüfte sie erneut die Ketten und schwor sich, den Priester mit ins Grab zu nehmen, wenn es so weit kommen würde.
Die Hexe legte den Kopf zurück auf die Tischplatte und sandte ihren Geist hinaus. Es war Nacht, der abnehmende Mond stand hoch am Himmel. Sie flog den Sternen entgegen und zog Kraft aus der Dunkelheit. Da fuhr plötzlich ein unsäglicher Schmerz durch ihren Körper. Ungläubig blickte sie auf ihre Hand. Eine dicke Eisennadel steckte in ihrem Handrücken.
»Nicht einschlafen, meine Liebe.«
Der Diakon zog die Nadel heraus. Sie blinzelte die Tränen fort, die ihr in die Augen traten. Nicht schwach werden! Während der Priester ihre Ketten am Tisch festzurrte, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte, konzentrierte sie sich erneut auf die Finsternis. Sinthgut würde ihr helfen.
Silas hatte nicht erwartet, dass es ihm so schwerfallen würde, der Hexe Gewalt anzutun. Wann immer er mit einer Nadel in ihr weiches Fleisch stach, glaubte er den Schmerz am eigenen Leib spüren zu können. So wie es den Anschein hatte, weit mehr als sie. Er wurde unruhig. Der Tisch, auf dem Gismara lag, färbte sich rot von ihrem Blut, dennoch flehte sie ihn nicht an,
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