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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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»müsste er es wissen.«
    »Das ist die Idee dahinter. Genau das.«
    »Wie lange?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wir legen los«, sagte Billy. »Wir werden ihn da rausholen. Ich sehe in die falsche Richtung. Ich muss wissen, wer gegen mich kämpft und wer an meiner Seite ist. Also, Wati, wie finde ich mehr über die Engel heraus?«
    In einer Stadt wie London ...
    Halt: Es war nicht hilfreich, so über die Stadt zu denken, denn es gab keine andere Stadt wie London. Das genau war der Punkt.
    London war ein Friedhof, heimgesucht von toten Überzeugungen. Eine Stadt und eine Landschaft. Ein Markt, erbaut auf Feudalismus. Sammeln und Jagen, dazu kleine Nischen der Andersartigkeit, das auch, doch auf der Ebene, in der Billy sich jetzt bewegte, vor allem ein Flickenteppich von Lehen, theokratischen Herzogtümern, Machtzonen und Einflusssphären, jede unter der Knute eines lokalen Despoten, eines kriminellen Papstes. Alles drehte sich um die Frage, wer kennt wen, wer konnte Zugang zu was verschaffen, wer schmierte wen auf dem Weg wohin.
    London hatte seine Mittelsmänner, Guerilla-Schadchen, die gegen Beteiligung ein Treffen arrangieren konnten. Wati konnte Billy sagen, wo diese Leute waren und wer von ihnen eine schwache Verbindung zu den Engeln hatte. Wati suchte weiter, und er musste sich um seine eigene Schlacht kümmern. Der Mond ließ sich Hörner wachsen, der Himmel war knorrig, die Sekten unberechenbar.
    Und so blieb Billy ganz allein zurück, und er wusste, er sollte Angst haben, doch die hatte er nicht. Kribbelig war er. Es kam ihm vor, als würden die Uhren bei jedem seiner Schritte zögern. Es war noch früh, als er anfing, die Liste abzugehen, die Wati ihm gegeben hatte.
    Billy wusste, wie gefährdet er war. Jetzt mehr denn je. Er erkannte, dass seine Beine Schrittzauber erlernt hatten, die sonst Dane für ihn gegangen war, dass er sich nun in einem selbstcamouflierenden Rhythmus bewegte. Dass er automatisch den Halbschatten ansteuerte, dass er sich ein wenig wie ein okkulter Söldner bewegte. Er umfasste den Phaser in seiner Tasche und beobachtete aufmerksam seine Umgebung.
    Und so klopfte Billy allein an die Hintertür eines Sandwichladens in Dalston. Suchte eine Kirche und eine Teppichausstellung in Clapham auf. Einen McDonalds in Kentish Town. »Wati sagte, Sie könnten mir helfen«, erklärte er wieder und wieder den argwöhnischen Leuten, die öffneten.
    Die sicherste Methode bestand darin, niemals mit irgendwem über irgendwas zu reden. Kommunikation konnte Auswirkungen auf Kämpfe haben, von deren Existenz man gar nichts wusste, konnte zu Parteilichkeit führen, zur ungewollten Unterschrift auf einer gepunkteten Linie. Und doch.
    Mittelsmänner und Zuträger hatten ihre eigenen Orte. Es gab Räume und Internetbuden, in denen Frauen und Männer, die von ihrer Glaubensgemeinschaft dazu bestimmt worden waren zu stehlen, zu foltern, zu töten, zu jagen und zu manipulieren, mit anderen zusammen sein konnten, die den Druck kannten, dem sie durch ihre Arbeit ausgesetzt waren, Orte, an denen sie dem aktuellen Geschwätz folgen konnten.
    »Dane hätte nicht herkommen können«, hatte Wati Billy gewarnt. »Er wäre erkannt worden. Aber die Leute kennen dich nicht. Vielleicht kennen sie deinen Namen, falls sie die Lauscher aufgehalten haben. Aber dein Gesicht kennen sie nicht.«
    »Ein paar schon.«
    »Ja.«
    »Ein paar könnten Kontakt zu Goss und Subby haben.«
    »Möglich.«
    »Wo sind die überhaupt?«
    »Keine Ahnung.«
    Die politischen Verhältnisse in einer Sektenstadt führten zu komplizierten Begegnungen. Einen Meuchler der Beltwaybrüder mit jemandem von Mansour Elohim scherzen zu sehen, während er zugleich die Zwillinge von der Kirche der Jesussymbionten ignorierte, war eine Art Crashkurs in Realtheologie. Doch wer an den Orten weilte, die Billy aufsuchte, ließ sein Zugehörigkeitsgefühl so weit wie möglich zu Hause. Dies, so verriet ein Hinweis über der Tür zu einem dieser Unterschlupfe, ist das Loar.
    Law oder lore, Gesetz oder Überlieferung - und »Loar« mochte schlicht eine Überlagerung beider Homophone sein -, aber das war kein Grund, den Verstand zuhause zu lassen. Billy betrat jeden dieser Orte mit großer Vorsicht und einem falschen Schnurrbart. Wati hätte ihn auch dann nicht begleiten können, wäre er nicht damit beschäftigt gewesen, Dane zu suchen und seinen Compañeros beizustehen. Vertrauten war der Zutritt verboten, und ein Schild über der Tür verkündete: KEINE PUPPEN. Billy hätte

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