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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Staatsbeamten im Einsatz? Ganz gleich. Die Hirten brachten den Minotaurus zum Stehen und ließen ihn auf dem Boden scharren. Billy fühlte eine Frage, die wie ein Tier zwischen Byrne und dem Tattoo hin- und herraste: Vielleicht sollten wir uns auf die zwei konzentrieren? Aber ganz London war seit Jahren durch ihre Feindschaft geformt worden. Daraus erwuchs eine Logik, die zu mächtig war, sie einfach zur Seite zu schieben, genau, wie Billy gehofft hatte. Und so gingen die Krieger des Tattoos und Byrnes und Grisamentums Monsterhirten aufeinander los.
    Die herbstlich gefärbte Laubfigur stürmte voran, gelenkt von den fachkundigen Bewegungen ihrer Hirten. Sie zerfiel in mehrere kleinere Versionen des gleichen bullenköpfigen Mannes und stürzte sich mit windiger Eleganz in den Kampf. Die Armleuchter stachen mit ihren Messern nutzlos auf das Laub ein, das sie mit temporär-soliden Blätterklauen packte. Dane zertrümmerte einen Helm mit einem Schuss aus seiner Waffe. Die Gestalt fiel, und hinter dem geborstenen Visier kam die riesige, zur Faust geballte Hand zum Vorschein, die ihren Kopf darstellte. Dane duckte sich unter dem Hieb eines Laubarms hinweg und zerrte Billy aus dem Weg. Seine Waffe klickte. Sie kauerten sich in den Müll am Rande des Kampfgebiets.
    »Schau«, sagte Billy. Der tätowierte Mann erzitterte in seiner übergroßen Jacke, während seine Wachen sich dem Laub stellten und der Kampf all ihre Aufmerksamkeit beanspruchte. Billy und Dane wechselten einen Blick.
    Billy entschied. Er rannte los, verkrampfte sich, und die Zeit stotterte und Glas brach. Sein Phaser blies einen der Wächter um. Dane folgte ihm und packte den tätowierten Mann, der sie so furchtsam anstarrte, dass der Anblick allein sie zu überwältigen drohte.
    »Los!« Dane und Billy schleiften ihn mit sich - halb Geiselnahme, halb Rettung - durch den Schmutz, wo die letzten Toten auf ihre Bergung warteten. Jetzt waren auch Polizisten da, Leute, die absurde Verhaftungsandrohungen ausstießen und in die Dunkelheit brüllten und vielleicht Zauber von einer Art schleuderten, die in dieser Nacht nur umherspotzen konnten wie feucht gewordene Feuerwerkskörper. Der Mann in Leder schaukelte beinahe wie ein Kind in Danes und Billys Händen. Er flüsterte. Und jenseits dieser Laute war noch etwas anderes hörbar, das Grollen, der Zorn und die Drohungen des Tattoos unter seiner Jacke.

TEIL SECHS
    ANDEUTUNGEN

63
    War es das? Waren sie es, sollte Marge vielleicht fragen. Immerhin waren es zwei, nicht wahr, so war es doch?
    Nicht, dass das, was Marge gesehen hatte, nicht beeindruckend gewesen wäre und sonderbar und etwas, das sie noch vor ein paar Wochen vollends überfordert hätte. Es war nur, dass sie auf eine Offenbarung gehofft hatte, und eine Offenbarung hatte es nicht gegeben.
    Also, was war es, was sie gesehen hatte? Sie war nicht sicher. Nach ihrer Flucht vor Collingswood war sie relativ weit vom Epizentrum entfernt gewesen, während dort geschah, was immer geschehen war. Einiges davon war ... wie auch immer sie es nennen wollte, ohne den Begriff »Magie« zu gebrauchen: die Art, wie einige der Leute sich bewegt hatten, diese staubigen, vage menschlichen Gestalten auf dem Brachland; die Etwasse rund um die Betonstraßen, die sie nie so Recht hatte sehen können; ihre eigenen, wiederholten, schwindelnden Fluchten aus der Aufmerksamkeit anderer Gäste des Endgültigen. Und dann war da dieser Strom herbstlicher Himmelsfarben, bei dem es sich tatsächlich um dramatische kleine Stürme handeln mochte.
    Das aber hatte, soweit sie es sehen konnte, alles nichts mit dem Kraken zu tun, und welche Mikropolitik auch dahinterstecken mochte, sie war ihr schleierhaft geblieben. Marge war nicht eine Spur klüger, dafür aber offen gesagt ein wenig ehrfurchtsstarr.
    Also, was jetzt?
    »Wie ist dein Name?«
    Und endlich sprach der Mann.
    »Paul.«
    Von dem Schmutz und dem Blut gereinigt, mit dem er befleckt gewesen war, war Paul ein hagerer Mann, irgendwo in den Vierzigern oder Fünfzigern. Und war er bei sich, so war er auch verängstigt.
    »Ruhig, ganz ruhig«, sagten Billy und Dane zu ihm, als er in ihren Händen zitterte, während sie sich mit ihm versteckten. »Sie werden kommen und mich holen«, wiederholte er immer wieder. Und bei all den Bemühungen, ihn zu besänftigen, störte beständig das Tattoo. Die Stimme erklang dauernd. Drohungen, Schmähungen, Befehle aus Tattoos Mund auf Pauls Haut.
    »Wie, denkt ihr, geht es jetzt weiter?«, kreischte das

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