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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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war ... irgendwie nicht ganz da.« Er tippte sich an den Kopf. »Hat nicht ein Wort gesagt ... Was? Was denn? Jesus, was ist denn los?«
    Baron wich zurück und ließ die Arme sinken. Das Notizbuch hing müde in seiner Hand. Collingswood stand mit offenem Mund und geweiteten Augen da. Ihre Gesichter verloren synchron an Farbe.
    »Oh, Scheiße«, flüsterte Collingswood.
    »Mein Gott, hat da bei Ihnen denn keine Alarmglocke geschrillt?«, fragte Baron. »Haben Sie sich nicht wenigstens eine verdammte Sekunde lang gefragt, mit wem Sie es da zu tun haben?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon zum Teufel Sie reden.«
    »Er weiß es wirklich nicht«, sagte Collingswood mit krächzender Stimme. »Dieser verdammte Mistkerl von einem blutigen Anfänger hat keine Ahnung. Darum sind sie hergekommen. Weil er neu ist. Darum hat er den Job bekommen. Weil er noch grün ist. Die wussten, dass er keine Ahnung haben würde, mit wem er es da beschissen noch mal zu tun hat.«
    »Mit wem hatte ich es zu tun?«, fragte Anders schrill. »Was habe ich getan?«
    »Ist doch so«, sagte Collingswood. »Ist doch so, nicht wahr?«
    »Oh du gütiger Himmel. Es hört sich ganz so an. Ein Gott, es hört sich wirklich so an.« Sie erzitterten, als wäre es plötzlich kalt geworden in dem Raum.
    »Es sind Goss und Subby«, flüsterte Baron.

16
    Billy erwachte. Der Nebel, das dunkle Wasser in seinem Kopf, es war fort.
    Er setzte sich auf. Billy fühlte sich zerschlagen, aber nicht müde. Er trug dieselben Kleidungsstücke, in denen er sich auf das Bett gelegt hatte, aber sie waren ihm zwischenzeitlich abgenommen und gereinigt worden. Er schloss die Augen und sah die ozeanischen Dinge aus seinem betäubten Schlaf.
    An der Tür stand ein Mann in einem Trainingsanzug. Billy drehte sich auf dem Bett und nahm eine halb gebückte, halb kampflustige Haltung ein, während er den Mann musterte. »Man wartet auf Sie.« Der Mann öffnete die Tür. Billy senkte langsam die Hände und stellte fest, dass er sich so gut fühlte wie schon lange nicht mehr.
    »Sie haben mich betäubt«, sagte er.
    »Darüber weiß ich nichts«, entgegnete der Mann verunsichert. »Aber sie warten auf Sie.«
    Billy folgte ihm an den künstlich geschaffenen Zehnfußkrebsen und Oktopoden vorbei, die von fluoreszierendem Licht angestrahlt wurden. Sein Traum war immer noch beharrlich zugegen wie Wasser in den Ohren. Der Mann verschwand hinter einer Biegung. Billy ließ sich zurückfallen, er duckte sich weg und rannte so leise er konnte davon, beschleunigte im Echo seiner eigenen Schritte. Er hielt den Atem an. An einer Kreuzung blieb er stehen, drückte sich mit dem Rücken an die Wand und lugte um die Ecke.
    Andere Subspezies in Zement. Vielleicht konnte er den Weg nach draußen finden, wenn er sich an die richtigen Kopffüßer erinnerte. Derzeit hatte er keine Ahnung, wohin er sich wenden sollte. Er hörte die Schritte seiner Eskorte nur Sekunden, ehe der Mann wieder da war. Der Mann gestikulierte, winkte voller Unbehagen.
    »Man wartet auf Sie«, sagte er. Billy folgte ihm durch die ausgeschachtete Kirchenlandschaft zu einem Saal, so groß und unerwartet, dass Billy aufkeuchte. Alles ohne Fenster, alles in den Boden unter London gegraben.
    »Der Teuthex wird in einer Minute hier sein«, sagte der Mann und ging.
    Da waren Kirchenbänke, alle mit einer Aussparung hinter der Rückenlehne, einem Platz für die Gesangbücher. Sie standen vor einem Altar im Stil der Shaker. Über ihm fand sich eine gewaltige und wunderschön gearbeitete Version des vielarmigen Symbols, all die ausgedehnten, s-förmigen Krümmungen ausgeführt in Holz und Silber. Die Wände waren mit Bildern bedeckt, die an Ersatzfenster gemahnten, und jedes von ihnen zeigte einen Riesenkalmar.
    Es gab körnige Tiefseefotografien, und sie sahen viel älter aus, als es möglich sein sollte. Hier gab es Stiche altertümlicher Bestien, dort hingen Gemälde. Feder-und-Tinten-Darbietungen, Pastellzeichnungen, mehrdeutige Op-Art-Geometrien mit Saugnapffraktalen. Er erkannte nicht ein einziges Werk. Billy war mit Bildern von Kraken und Büchern über altertümliche Ungetüme aufgewachsen. Nun suchte er nach einem Bild, das er kannte. Wo war Montforts unerreichbarer Oktopus, der ein ganzes Schiff in die Tiefe zerren wollte? Wo die vertrauten alten Darstellungen von Vernes Poulpes?
    Die Pastorale eines Riesenkalmars aus dem achtzehnten Jahrhundert - eine gewaltige, überzogene Darstellung eines jungen Architeuthis, der in der Gischt

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