Der Krake
daran zweifeln, dass Religion und organisiertes Verbrechen miteinander verbunden waren? Wie der Bischof eines katholischen Geheimordens zu fragen pflegte, wann immer Fragen zur Geschäftsethik aufkamen: Haben wir denn nichts aus Sankt Calvis Martyrium gelernt?
»Wir gehen also immer noch davon aus, dass unsere Täter definitiv irgendwelche religiösen Fanatiker sind?«, fragte Collingswood und schnüffelte. »Krakenisten oder so was? Oder vielleicht doch nur irgendwelche verdammten Gauner?«
»Ich weiß auch nicht mehr als Sie«, sagte Baron. »Tatsächlich sind Sie mir sogar erheblich voraus.«
»Ich bekomme von meinen Informanten immer noch nur Mist geliefert.« Collingswood schnüffelte wieder.
»Wow«, sagte Baron. »Sie ... hier.« Er reichte ihr ein Taschentuch. Ihre Nase blutete.
»Ach, du verdammtes, keines Wichsgesicht«, sagte Collingswood und drückte ihre Nasenwurzel mit den Fingern zusammen. »Du saublöder Trottel.«
»Jesus, Kath, alles in Ordnung? Was hat das alles zu bedeuten?«
»Ist nur Nervosität, Boss.«
»Nervös? An einem wunderschönen Tag wie diesem?« Sie musterte ihn finster. »Was bringt Sie so auf die Palme?«
»Nichts. Das ist es nicht. Es ist nur ...« Sie hob die Hände. »Das alles. Der verdammte Panda.«
Über eine gewundene Reihe hingerotzter Witzchen war dies der Name, den Collingswood und Baron dem Ende schließlich gegeben hatten. Dem Ende, auf das sich selbst die zögerlichsten apokalyptisch orientierten Glaubensrichtungen vorbereiteten. Der magische Mief trieb Collingswood als Kunsterin an ihre Grenzen: Zahnschmerzen, Krämpfe, tiefe Unruhe. Wiederholt hatte sie auf dieses furchtbare, herannahende Was-es-auch-sei verwiesen, bis Baron vorgeschlagen hatte, dem Ding einen Namen zu geben. Angefangen hatten sie mit dem großen bösen Wolf. Von da an waren sie schnell beim Dackel angekommen, um schließlich beim Panda zu enden. Der Scherzname half Collingswood allerdings nicht dabei, sich in diesem Punkt besser zu fühlen.
»Was auch immer dahintersteckt, es hat mit dem verdammten Kalmar zu tun«, sagte sie. »Wenn wir wüssten, wer das Vieh geklaut ...«
»Wir wissen, wer die Hauptverdächtigen sind. Die kennen wir genau, falls im Büro jemand fragt.« Die Gläubigen würden für den Leib Gottes vielleicht eine Menge hinblättern. Das FSRC lauschte und fischte, hoho, nach Informationen über die geheimnisvolle Kirche des Krakengottes. Aber das Verschwinden mochte auch ein viel profaneres, wenn auch gekunstetes, widernatürliches Verbrechen sein. Und das würde die Dinge erschweren.
Bürokratische Grabenkämpfe. Im FSRC arbeiteten die einzigen Polizisten der Met, die mit den unheimlichen Ungereimtheiten der Kunsterei umgehen konnten. Sie waren Staatshexen und Hexenhammer zugleich. Allerdings war ihr Aufgabenbereich eine historische Eigenheit. Es gab kein Hexenkommando bei der Polizei des Vereinigten Königreichs. Kein Spezialkommando 21 für Verbrechen unter Einsatz von Magie. Da gab es keine Sondereinsatzgruppe, es gab nur das FSRC, und das hatte eigentlich nichts mit der Macht von Ley-Linien, Bannworten, heraufbeschworenen Wesenheiten et cetera zu tun - sie waren nichts anderes als eine Sekten -Abteilung.
In der Praxis allerdings beschäftigte und überwachte die Einheit all jene Personen mit zweifelhaften Gaben. Die Computer des FSRC waren vollgestopft mit okkulter Hexware und Abgrades (Geas 2.0, iScry). Aber die Einheit war gefordert, stets den Schein zu wahren und ihre Arbeit in Begrifflichkeiten der Religionsüberwachung zu kleiden. Kamen sie zu dem Schluss, dass nichts anderes als rein säkulare Abkriminalität hinter dem Verschwinden des Architeuthis steckte, mussten sie sämtliche bestehenden Verbindungen zu Londoner Häresiarchen hervorheben. Anderenfalls würden sie ihre Zuständigkeit verlieren. Ohne Sektenspielereien im Hintergrund des Kalmarnappings würde der Fall irgendeiner kurz angebundenen, grob gestrickten Einheit übergeben werden - Kapitalverbrechen, Organisiertes Verbrechen. Kunst und Antiquitäten.
»Gott bewahre«, sagte Collingswood.
»Nur hypothetisch«, sagte Baron. »Ganz unter uns. Falls das die Tat eines Verbrechers ist, nicht die irgendwelcher Gottessöldner, dann wissen Sie, wer unser Hauptverdächtiger ist.«
»Das verdammte Tattoo«, sagte Collingswood.
Barons Telefon klingelte. »Ja«, meldete er sich, lauschte und blieb stehen. Er sah krank aus, kränker und alt.
»Was?«, fragte Collingswood. »Was, Boss?«
»In Ordnung«,
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