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Der kranke Gesunde

Der kranke Gesunde

Titel: Der kranke Gesunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas von Pein , Hans Lieb
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Kopfschmerzen bringen hier für beide eine gute Lösung: Sie ist ihre Angst los, er könnte am Wochenende auf einem Lehrgang Interesse an einer anderen Frau finden. Er findet eine Gelegenheit, ihr seine Liebe zu zeigen, indem er zu Hause bleibt, um so etwas von seiner »Fremdgeh-Schuld« abzubauen. Seine Psyche ist an einer anderen, ziemlich verborgenen Stelle aber auch wütend: Wann hat sie denn zu Ende »gebüßt«? Und ihre Schmerzen nehmen ihm sein Wochenende weg. So stellen die Kopfschmerzen einerseits eine Einheit zwischen beiden her, die sie sonst bedroht sähen; andererseits können sie aber weder die Psyche von Doris von ihrer Angst noch die von Fabian von seinen Schuldgefühlen und seiner Wut befreien.
    Fabian ist auf die Schmerzen und nicht auf Doris wütend. Für sie bleibt er gerne zu Hause. Doris ist ihre Angst los. Sie muss dazu Fabian um nichts bitten und gar nichts fordern. Das Ganze hat – auf Dauer – nur einen Preis: Die Kopfschmerzen sind zum Familienmitglied geworden. In einer ähnlichen Situation, wo sich in der Psyche von Doris und in der von Fabian wieder ähnliches abspielt, werden sie wieder »gebraucht«.
(Unausgesprochene) Regeln für das Zusammenleben
    Die Regel dieses Paares lautet also: »Negative Gefühle bedrohen unsere Partnerschaft – Harmonie sichert sie.« Alle Paare und Familien entwickeln undbrauchen für ihre soziale Welt Regeln für das tägliche Zusammenleben. Sie sind teils bewusst und teils unbewusst. Die meisten entstehen im System »von selbst«. Sie geben vor, was man nicht tun und zum Teil auch, was man tun soll. Und sie geben auch vor, was mit dem geschieht, der sich nicht an die Regel hält (das sind dann »Regel-Sicherungs-Regeln«). Damit schaffen sie vor allem Sicherheit. Ohne sie wäre die Psyche der Einzelmitglieder ständig verunsichert darüber, was man darf und was nicht. Das System müsste dann ständig neu verhandeln, was zu tun und zu lassen ist.
    Ihren Nutzen erfahren wir, wenn wir sie nicht kennen: z. B. als Neuling in einem gesellschaftlichen Kreis, dessen Spielregeln wir noch nicht kennen! In solchen Situationen versuchen wir meistens, durch Beobachtung herauszubekommen, wie »man« sich hier verhält – also die Regel bzw. das Regelhafte zu entdecken.
Typische einengende Familienregeln
    Nun gibt es Regeln, die eher helfen, und Regeln, die einengen – entweder weil sie sich überlebt haben oder weil sie zwar in einer Situation helfen, in einer anderen aber eher behindern. Wir nennen hier solche, die nach unserer Erfahrung und denen von Familientherapeuten in sogenannten »psychosomatischen Familien« häufiger vorkommen. (Man kann aber niemals von einer psychosomatischen Krankheit auf bestimmte Familienregeln schließen – das wäre unwissenschaftlich.) Problematisch sind Regeln nie »an sich«. Sie haben oder hatten alle ihren Sinn in der Entstehungsgeschichte eines Systems. Problematisch werden sie, wenn sie das Zusammenleben oder die Entfaltungsmöglichkeiten eines Paares, einer Familie oder einzelner Mitglieder zu sehr hemmen. Das kann die Entfaltung der Psyche eines bestimmten Mitglieds im System betreffen oder die aller Psychen oder die Entwicklung des Paares oder der Familie als Ganzes.
    Ob eine Regel für eine bestimmte Familie oder ein bestimmtes Paar Gültigkeit hat, erkennt man weniger daran, was die Familie oder das Paar dazu sagt, sondern ob sie sich danach verhält.
»Vermeide Konflikte!« – sie bedrohen das System
    Wenn ein Konflikt in der Vergangenheit einmal schlimme Auswirkungen hatte, besteht Angst davor, das könnte sich wiederholen. Die Regel heißt dann: Verhalte dich so, dass du keinen Konflikt heraufbeschwörst! Oder: Beende Auseinandersetzungen immer im Einverständnis und im Frieden. Wenn Streit aufkommt, wird davon abgelenkt, getröstet oder der Streitinhalt zerredet und vernebelt. Unzufriedenheit wird schnell »befriedet«. Wenn zwei miteinander in Konflikt geraten, mischt sich ein Dritter schlichtend ein. Innerlich spüren einzelne Mitglieder oft, dass der Friede nicht »echt« ist, dass etwas nicht an- oder ausgesprochen wird. Ein verkrampftes Klima oder auch Langeweile, weil nichts »Brisantes« besprochen werden darf, kann sich ausbreiten.
    Eine »Erkrankung« bei einem Mitglied kann hier helfen, diese Regel aufrechtzuerhalten. Wenn zwischen Zweien Streit aufkommt, kann ein Dritter Magenschmerzen bekommen. Dann kümmern sich alle darum und der Streit ist überstanden. Oder das Symptom kann helfen »wegen des

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