Der Krater
voran. In ein paar Minuten würde es auf einem Strand unterhalb der Klippe an dieser Spitze der Insel anlanden.
Abbey kroch in den Wald zurück und schlich zu einer Stelle, von der aus sie den wahrscheinlichen Landepunkt einsehen konnte. Der Mann pullte kräftig, das leise Klatschen seiner Ruder drang übers Wasser zu ihr. Er blieb eine dunkle Silhouette, die vornübergebeugt ruderte. Gleich darauf fuhr das Boot knirschend auf Kies. Er sprang heraus, zog es auf den Strand, blieb dann still stehen und sah sich um. Sein Gesicht war immer noch im Schatten verborgen.
Abbey drückte sich flach auf das Moos am Boden. Der Mann griff sich an den Gürtel, holte etwas hervor und betrachtete es. Sie sah einen metallenen Schimmer und erkannte, dass es eine Pistole war. Er steckte sie wieder ein, sah sich noch einmal kurz um und verschwand dann in der Dunkelheit unter den Bäumen. Gleich würde er direkt an ihr vorbeigehen.
Abbey sprang auf und sprintete durch den Wald, duckte sich unter Ästen durch, sprang über umgestürzte Baumstämme und hatte ein paar Minuten später die Hütte erreicht. Sie platzte zur Tür herein.
»Na endlich, die Hamburger sind schon verko-«
»Jackie, wir müssen weg. Sofort.«
»Aber die Hamburger …«
Abbey packte sie bei der Hand und zog sie zur Tür.
»Sofort.
Und sei leise – es ist jemand mit einer Waffe auf der Insel.«
»O Gott.«
Sie zog Jackie hinaus in die Dunkelheit und überlegte. Er würde vermutlich direkt zur Hütte gehen.
»Hier entlang«, flüsterte sie und führte Jackie über die Wiese in den Wald, der sich bis zur Südspitze der Insel erstreckte. Aber er war zu klein und zu naheliegend, um ein gutes Versteck abzugeben. Die Felsen und aus dem Wasser ragenden Walrücken an der Südspitze der Insel waren hingegen eine gute Idee, vor allem, da das Wasser noch recht tief stand, so dass eine Reihe riesiger, rundgeschliffener, mit Tang bedeckter Brocken herausragte.
Sie bedeutete Jackie, ihr zu folgen, und die beiden schlichen sich durch die Bäume zu einer Anhöhe oberhalb der Felsen. Der Mond hing noch tief am Himmel, und die hohen Fichten warfen lange Schatten über die wild durcheinandergewürfelten Felsbrocken und tauchten alles in Dunkelheit. Sie rutschten das Steilufer hinab und kletterten über die Steine. Abbey hielt auf die lange Kette von Felsen zu, die sich bis unter die Flutlinie hinabzog.
»Die Flut kommt«, flüsterte Jackie, die auf dem Seetang rutschte und schlitterte. »Wir ertrinken.«
»Wir brauchen nicht lange hierzubleiben.«
Ganz am Ende fand sie ein dunkles Versteck zwischen zwei schroffen, mit Seetang bewachsenen Felsen, die auf der Unterseite etwas unterspült waren. Das Wasser stieg schnell.
»Rein da.«
»Dann werden wir nass.«
»Das ist ja der Sinn der Sache.«
Jackie ließ sich auf den schwarzen, kalten Seetang sinken und quetschte sich unter den überhängenden Fels. Abbey folgte ihr und arrangierte den Seetang so gut wie möglich über ihnen. Der Gestank stieg ihr in die Nase. Aber sie konnte durch die Felsen zurück zu den Kiefern schauen und sogar die hell erleuchtete Hütte fünfhundert Meter weiter noch erkennen. Direkt unter ihnen plätscherte und gurgelte das Wasser zwischen den Felsen.
»Wer ist denn das?«, fragte Jackie.
»Der Kerl, der hinter uns her ist. Jetzt sei still.«
Sie warteten. Nach einer scheinbaren Ewigkeit sah Abbey den Mann aus dem Wald auf die mondbeschienene Wiese treten. Mit gezückter Waffe umrundete er die Hütte, schlich zu einem Fenster, drückte sich flach an die Wand und lugte nach drinnen. Er verbrachte einige Zeit damit, die Hütte auszuspähen, dann ging er zur Tür und trat sie ein. Der Lärm zerriss die nächtliche Stille und hallte über das dunkle Wasser.
Er ging in die Hütte, kam gleich darauf wieder heraus und sah sich um. Eine Taschenlampe erschien in seiner Hand, und er ging langsam am Rand der Wiese entlang und leuchtete zwischen die Bäume.
Inzwischen kam die Flut.
Die Gestalt verschwand im Wald oberhalb ihres Verstecks, und das Licht bewegte sich blinkend zwischen den Bäumen hin und her.
Der Mann erschien am Waldrand auf der Anhöhe über den Felsen. Er stieg vorsichtig herab, stellte sich auf einen hohen Stein und leuchtete mit der Taschenlampe das Ufer ab. Der gelbe Lichtstrahl glitt über die Felsen um sie herum und suchte hier und dort. Abbey legte Jackie die Hand auf den Arm und spürte, wie sie zitterte.
Die Gestalt bewegte sich weiter auf sie zu und trat dabei Steinchen
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