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Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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ihn dort auf dem Stein sitzend zurück, wo er mit gesenktem Kopf meditierte. Ford ging voran, die Schlucht hinauf, zwischen vielen riesigen Felsbrocken hindurch, die von Fluten vor Urzeiten hierhergerollt und glatt poliert worden waren. Als die Schlucht sich zu einer Klamm verengte, beugten sich die Bäume auf den steilen Anhöhen über sie und bildeten einen Tunnel. Insekten brummten durch die schwere Luft, und es roch nach Farnmyrte.
    »Furchtbar still hier«, bemerkte Ford schnaufend.
    Khon wackelte mit dem runden Kopf.
    Hier und da bemerkte Ford buddhistische Gebete, die in die Felsbrocken gehauen und von der Zeit beinahe wieder ausgelöscht worden waren. Einmal kamen sie an einem ganzen liegenden Buddha vorbei, volle zwölf Meter lang und aus einem natürlichen Felsvorsprung in einer Wand der Schlucht gehauen. Khon hielt inne, um ihm stumm ein Opfer darzubringen, indem er Blüten daraufstreute.
    Am Ende der Klamm begann ein steiler Pfad, der hügelan führte. Als sie sich der Kuppe näherten, fiel über ihnen Sonnenlicht durch die Bäume. Eine verfallene Mauer umschloss die Hügelkuppe, und durch die Löcher im Wall konnte Ford die Ruinen eines bescheidenen Tempels sehen, der sich unter einem Gewirr von Lianen erhob. Eine verbrannte, verbogene Flugabwehrkanone, die noch aus dem Vietnamkrieg stammte, stand an einem Ende des Tempels, eine leere Geschützstellung am anderen.
    Ford bedeutete Khon, zurückzubleiben, schlich weiter durch den dichten Wald und stieg über die eingestürzte Mauer. Er hörte ein Rascheln, fuhr herum und zog die Walther, aber es war nur ein Waran, der sich in einem Haufen trockenen Laubs verstecken wollte. Er behielt die Pistole in der Hand, während er auf die Lichtung vorrückte und sich umsah, dann bedeutete er Khon, ihm nachzukommen. Sie bahnten sich einen Weg zu der zweiten Geschützstellung, die ganz am Rand der Anhöhe eingerichtet worden war, so dass man das Tal darunter überblicken konnte.
    Ford schob sich bis an den Rand der steinernen Plattform und spähte hinunter.
    Der Anblick war so seltsam, dass er zunächst gar nicht begreifen konnte, was er da sah. Die Bäume in der Mitte des Tals waren in perfekter Kreisform nach außen umgeknickt worden, so dass sie von einem Krater in der Mitte wegzeigten wie die Speichen eines Rades. Ein Rauchschleier lag über einer Szene großer Geschäftigkeit. Reihen von zerlumpten Menschen bewegten sich zwischen dem Krater und einem Steinhaufen hin und her. Sie trugen Lastkörbe voller Steine auf dem Rücken, gehalten von Stirnbändern. Sie kippten die bläulichen Steine auf einen riesigen Haufen in etwa fünfzig Meter Entfernung und schlurften zurück zur Mine, um ihre Körbe erneut zu füllen. An dem Steinhaufen wiederum wimmelte es von ausgezehrten Kindern und alten Frauen, die mit kleinen Hämmern die Steine aufschlugen und die Stücke nach Edelsteinen durchsuchten.
    Der Krater in der Mitte war offensichtlich die Mine.
    Im Tal oberhalb der Mine war ein Bereich von umgestürzten Bäumen befreit und ein provisorisches Dorf aus primitiven Flechthütten in langen Reihen errichtet worden, um das mehrere Rollen Stacheldraht auf dem Boden verliefen. Es sah aus wie ein Arbeitslager. Rauchwolken stiegen von Dutzenden Kochfeuern auf. Zwei alte Panzer standen an den Enden des Lagers, und Soldaten mit schweren militärischen Waffen patrouillierten am Rand des Tals. Weitere Soldaten hielten die Schlangen der Minenarbeiter in Bewegung und stachen mit langen, spitzen Stöcken nach den Langsamen und Schwachen – wobei sie aber stets Abstand hielten.
    Ford griff in seinen Rucksack und holte ein Fernglas heraus, um sich das näher anzusehen. Der Krater sprang ihm ins Auge – ein tiefer, fast senkrechter Schacht, der zweifelsfrei durch den Einschlag eines großen Meteoriten entstanden war. Er musterte die Reihen der Minenarbeiter: Sie waren in entsetzlichem Zustand, das Haar fiel ihnen aus, die ausgemergelten Körper waren mit offenen Geschwüren bedeckt, die Haut dunkel und verschrumpelt, sie hatten krumme Rücken, ihre Knochen standen hervor. Viele von ihnen waren von der Strahlung so vergiftet und ausgezehrt – kahl, zahnlos und abgemagert –, dass Ford Männer und Frauen nicht mehr unterscheiden konnte. Selbst die Soldaten, die sie bewachten, wirkten schlapp und kränklich.
    »Was siehst du?«, flüsterte Khon hinter ihm.
    »Schreckliche Dinge.«
    Khon kroch mit seinem eigenen Fernglas neben ihn. Er starrte lange schweigend hindurch.
    Während sie das

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