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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Krallen.
    Aber wenn diese Steine und Teile eines Baumstamms das Skelett eines Menschen bildeten, dann war dies ein seltsamer Mensch. Zwischen den Steinen und Sparren lagen Wurzelranken herum, die ein eigenartiges Geflecht bildeten – Adern ähnlich, die sich durch das riesige Skelett zogen.
    Binnesman hob seinen Stab. Plötzlich schienen die Eichen auf den Hängen zischende Laute von sich zu geben. Wind fuhr ins Geäst, so daß die Blätter ihnen eine Stimme zu verleihen schienen. Hier auf der Lichtung aber stand die Luft vollkommen still.
    Plötzlich war Jureem von Entsetzen erfüllt, denn er spürte, daß die Kraft der Erde wie auf eine unausgesprochene Bitte aus dem unterirdischen Gestein aufstieg und dieses kleine Feld ausfüllte. Am liebsten wäre er davongelaufen.
    Binnesman schwenkte seinen Stab erneut mit langsam kreisenden Bewegungen und sang: »Krieg dämmert. Frieden bricht, auf dieser Lichtung hier.
    Erde atmet. Leben wird aus Einigkeit mit ihr.«
    Binnesman hörte auf, seinen Stab zu schwenken und richtete den Blick starr auf den Haufen aus Steinen und Holz. Er atmete schwer, als hätten ihn diese wenigen Worte größte Mühe gekostet.
    Der Rhythmus des Sprechgesangs verlor sich, während Binnesman wie gebannt auf den Boden starrte. Leise sprach er zu dem Staub: »Ich habe der Erde gedient und werde dies immer tun. Ich gebe mein Leben. Du sollst meiner Schöpfung Leben einhauchen. Gib ihr einen Teil des Lebens, das ich geopfert habe.«
    In diesem Augenblick geschah eine eigenartige und grauenerregende Verwandlung. Ein smaragdfarbenes Licht begann in Binnesmans Brust zu leuchten, wurde zu einer strahlenden Kugel, die explosionsartig aus ihm hervorbrach und vor ihm wie ein Meteorit in den Boden schlug.
    In diesem Augenblick, diesem unendlichen Augenblick, schrie Binnesman vor Schmerzen auf und umklammerte seinen Stab, auf den er sich plötzlich stützen mußte, um sich auf den Beinen halten zu können. Sämtliche Glühwürmchen auf dem Stab flogen auf und schwirrten summend herum, so daß Jureem keine Mühe hatte, den Zauberer zu erkennen.
    Binnesmans Haar, das nußbraun und mit ein paar grauen Strähnen durchsetzt gewesen war, färbte sich im Licht der Sterne plötzlich silbern. Er stützte sich auf den Stab wie ein gebeugter alter Mann. Sein grünes Gewand wurde in diesem Moment in Rot getaucht – in die rostroten Farben des Herbstlaubes.
    Jureem stockte der Atem, als ihm klar wurde, was vor sich ging: der alte Zauberer hatte diesem Haufen Äste und Knochen zu seinen Füßen Jahre seines Lebens geopfert.
    Die Erde hob sich plötzlich wie aus Dankbarkeit über Binnesmans Geschenk und ächzte wie schwankende Baumstämme. Falls sich in diesem Stöhnen Worte verbargen, verstand Jureem sie nicht. Doch Binnesman lauschte, als spräche die Erde zu ihm.
    Langsam, mühevoll hob er seinen Stab – er wirkte totenmatt –, dann ließ er den Stab erneut kreisen, und nun stieben Funken von ihm in einer glühenden Wolke auf. Binnesman stimmte einen Sprechgesang an: »Dunkel fließt dein Blut.
    Bleich liegen deine Knochen.
    Dein Herz schlägt im Inneren des Steins.
    Der Tag erleuchtet deine Augen, erfüllt deinen Geist Mit dem Bild von reißenden Zähnen und Krallen.«
    Die Steine und Hörner und Wurzeln auf dem Erdboden begannen zu zittern und zu beben. Die Sparren, die die Knochen eines Armes gebildet hatten, rollten einen Schritt zurück. Binnesman schleuderte den Stab zu Boden und rief: »Erhebe dich nun von der Erde, mein Kämpe! Werde Fleisch und Blut. Ich rufe deinen wahren Namen: Erretter von dem Bösen, Edler Vernichter!«
    Es gab einen Donnerschlag, als der Staub der Erde sich beeilte, seinem Befehl zu gehorchen und auf die Steine und das Holz zuströmte, als wäre es Wasser oder ein tiefhängender Nebel. Blätter und grünes Gras, Äste und kleine Steine mischten sich in diesen Wirbel.
    Eben noch hatte nichts weiter als ein Häufchen Kehricht in seltsamem Muster auf dem Boden verstreut gelegen, jetzt bildeten sich Sehnen und Knochen. Muskeln zogen sich zusammen und streckten sich, Lungen nahmen keuchend einen tiefen Atemzug. Blätter und Zweige und Gras wurden mit dem Fleisch verflochten und gaben dem Körper eine eigenartige Färbung aus Tönen von Grün, Braun, Rot und Gelb.
    Das alles geschah so schnell, daß Jureem nicht genau erkennen konnte, wie der Staub hochwirbelte, um dem Wesen Gestalt und Leben zu verleihen.
    »Erretter vor dem Bösen, Edler Vernichter« hob eine unglaublich lange Hand, als sich

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