Der Kreis aus Stein
Er war zum Umfallen müde und hatte nicht genug Kraft für einen langen Ritt. In forschem Tempo ließ er sein Pferd in die Nacht hineintraben.
ZWEITES BUCH
Der 22. Tag im Monat der Ernte: Ein Tag des Blutvergießens
KAPITEL 7
Der Tod kommt ins Haus eines Freundes n diesem Nachmittag blies ein böiger Wind aus ASüdwesten und brachte den Geruch von Regen mit sich.
Dunkle Wolken zogen von Süden her auf und legten sich über den Wald. Borenson hörte fernen Donner, aber auch Gewieher im Wind, und er roch Pferde. Raj Ahtens Truppen marschierten über die verbrannten Berge.
Es war erst eine halbe Stunde her, daß Gaborn auf sein Pferd gestiegen war und Borenson ihnen ein gutes Vorankommen gewünscht hatte. Augenblicke später waren sein Prinz, Iome und König Sylvarresta den aschebedeckten Hang hinauf in den Schutz des Waldes gesprengt. Nur das Knacken einiger Äste und das Schnauben eines Pferdes hatte ihren Aufbruch verraten, doch die Tiere waren so schnell gewesen, daß auch diese Geräusche kurz darauf verklungen waren.
Borenson lenkte sein Schlachtroß auf einen anderen Weg, ebenfalls an den Rand des stillen Waldes. Vor ihm stand eine Baumreihe aus uralten Eichen und Eschen – an vielen davon waren die Spitzen der Äste verbrannt.
Doch als er sich der Baumreihe näherte, fiel Borenson etwas auf, daß ihm erst jetzt unglaublich seltsam vorkam: es schien ihm, als hätte er eine unsichtbare Mauer vor sich, hinter der keiner der Bäume Feuer gefangen hatte. Nicht ein einziger brauner Ast hatte sich entzündet, kein einziges Spinnennetz war dem Brand zum Opfer gefallen.
Als hätten… die Flammen vor dieser Mauer gewütet und alles eingeäschert, bis die Bäume gesagt hatten: »Dieser Wald gehört uns. Weiter dürft ihr nicht.«
Oder vielleicht, überlegte Borenson, war das unnatürliche Feuer aus ganz eigenen Gründen abgedreht. Die Urgewalt hatte die Flammen eine Zeitlang bewußt gesteuert, bevor ihre Konzentration nachgelassen hatte.
Borenson machte dicht vor der Baumreihe halt und horchte.
Er hatte Angst hineinzureiten. Kein einziger Vogel zwitscherte in den Bäumen. Keine Maus und kein Ferrin raschelten unter den Ästen im toten Laub. Greisenbart hing merkwürdig, Vorhängen gleich, von den alten Eichen herab. Dieser Wald war uralt, unergründlich.
Borenson hatte in diesen von Geistern heimgesuchten Wäldern oft gejagt, aber war nie allein durch sie geritten. Er kannte die Gefahr.
Nein, es war nicht das Feuer gewesen, das sich abgewendet hatte, schloß Borenson. Der Wald hatte es gebremst. Hier lebten alte Bäume, Bäume, die noch erlebt hatten, wie die Duskiner zum erstenmal die Sieben Aufrechten Steine der Macht angebetet hatten. Hier gingen alte Seelen um, Mächte, denen kein Mann allein gegenübertreten sollte.
Jetzt glaubte er zu fühlen, wie sie ihn musterten. Eine böswillige Kraft, die die Luft schwer machte. Er hob den Kopf und sah den grau werdenden Himmel, die immer tiefer hängenden Wolken, die von Südwesten her aufzogen.
»Ich bin nicht euer Feind«, sagte Borenson leise zu den Bäumen. »Wenn ihr Feinde sucht, die werdet ihr früh genug finden. Sie sind schon unterwegs.«
Vorsichtig, ehrfürchtig, trieb Borenson sein Pferd unter die dunklen Äste. Nur ein paar Meter, gerade weit genug, daß er das große Schlachtroß in einer flachen Mulde anbinden und dann zurück zum Waldrand schleichen konnte, um zu beobachten, wie Raj Ahtens Armee unten auf der Straße vorüberzog.
Er brauchte nicht lange zu warten.
Wenige Augenblicke später kamen zwanzig Mann über den Hügel unten galoppiert. Vor ihnen hetzten Kampfhunde her.
Zu Borensons Entsetzen führte der Wolflord sie persönlich an.
Einen Augenblick lang fürchtete Borenson, die Spurenleser würden seiner Fährte folgen, sie machten jedoch lange unten am Fluß halt und suchten den Boden an der Stelle ab, wo Gaborn Torins Rüstung angelegt hatte.
Borenson konnte ein paar gedämpfte Rufe ausmachen, verstand aber den indhopalischen Dialekt nicht, den die Männer sprachen. Sie stammten aus einer Provinz im Süden, Borenson dagegen kannte nur ein paar Flüche in der Mundart des Nordens.
Raj Ahten erkannte, daß Gaborns Gruppe sich aufgeteilt hatte.
Sie folgten Gaborn. Er bekam es mit der Angst zu tun. Wieso führte Raj Ahten persönlich einen Trupp, der seinen Prinzen einfangen sollte? Vielleicht maß der Wolflord Iome und Sylvarresta eine höhere Bedeutung zu, als Borenson vermutet hatte. Vielleicht wollte er auch Gaborn als
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