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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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in seinen Gedanken, ein halbvergessener Zauberspruch aus einem alten Buch. Er hatte sich zwar nie eingebildet, ein Mensch zu sein, der über Erdkräfte verfügte, doch jetzt ertappte er sich dabei, wie er laut sprach:
    »Erde, die du uns offenbarst, werde zum Mantel im Wind, der uns verhüllt.
    Staub, der du uns offenbarst, werde zum Schleier am Himmel, der uns vor gierigen Blicken schützt.«
    Gaborn erschrak, daß ihm ein solcher Zauberspruch ungebeten in den Sinn kam. Dennoch fühlte es sich richtig an, ihn aufzusagen, so als wäre er zufällig auf den Schlüssel einer fast vergessenen Tür gestoßen.
    Die Erdkräfte wachsen in mir, stellte er fest. Noch wußte er nicht, was aus ihm werden würde.
    Er sorgte sich um seinen Vater und spürte dabei die unmittelbare Gefahr, die dem Mann drohte, spürte, daß ihn die Gefahr einhüllte wie ein Leichentuch.
    Gaborn hoffte, daß sein Vater den Angriff überlebte. Er setzte sein Kriegshorn an die Lippen, stieß einmal hinein, und überall ringsum folgten andere seinem Beispiel. Die Fußsoldaten vor der Armee stimmten Schlachtgesänge an.
    Raj Ahten hatte Dutzende Weitseher in seinem Gefolge, doch keiner besaß so viele Gaben der Sehkraft wie er. Wie viele Gaben er tatsächlich besaß, wußte er nicht genau, nur, daß sie nach Tausenden zählten. Er konnte auf einhundert Meter die Adern im Flügel einer Fliege erkennen, konnte bei Sternenlicht so deutlich sehen wie ein Durchschnittsmensch bei Sonnenschein. Während die meisten Männer mit so vielen Gaben der Sehkraft tagesblind geworden wären, erlaubte Raj Ahtens Durchhaltevermögen ihm, auch grelles Sonnenlicht zu ertragen.
    Es war ihm ein leichtes, die aufragende Wolke im Osten zu erkennen: Eine Armee kam auf ihn zumarschiert.
    Auf dem Weg hinauf zum Turm hielt Raj Ahten in südlicher und westlicher Richtung nach Anzeichen von Vishtimnus Armee, nach Anzeichen von Hilfe Ausschau.
    Lange Minuten, wie es schien, suchte er mit seinem beschleunigten Stoffwechsel den Horizont nach einem gelben Wimpel ab, der sich über dem Laubdach des Waldes erhöbe, oder dem Blinken der Sonne auf Metall, dem Staub, den viele marschierende Füße aufwirbelten, oder der Farbe, für die die Menschheit keinen Namen kannte – der Farbe warmer Körper.
    Doch selbst das Sehvermögen eines Weitsehers hatte seine Grenzen. Er konnte nicht durch Mauern sehen, und das Blätterdach des Waldes im Westen war Mauer genug, um viele Armeen zu verbergen. Außerdem blies ein feuchter Wind von Süden, vom Heideland, herüber, von den weiten Feldern Fleeds, die reich an Staub und Pollen waren und seine Sicht auf dreißig oder vierzig Meilen beschränkten.
    Eine ganze Weile stand er da und hielt den Atem an. Die Zeit bereitete ihm keine Sorgen. Bei so vielen Gaben des Stoffwechsels hatte er den Horizont im Südwesten wahrscheinlich kaum länger als sechs Sekunden abgesucht, bis ihm klar wurde, daß er nichts finden würde. Vishtimnus Armee war noch nicht in der Nähe.
    Er drehte sich nach Osten und spürte, wie sein Herz gefror.
    In der Ferne rannte Binnesmans Pferd über die Ebene. Raj Ahten sah, wohin er wollte: An der Grenze seines Sehvermögens ragten die goldenen Türme von Burg Groverman neben einem Fluß aus Silber aus der Ebene. Und vor der Burg marschierte eine Armee, wie er sie selten gesehen hatte: Hunderttausende von Soldaten. Vorneweg marschierte eine Reihe Speerträger, fünftausend Mann breit, auf deren Schilden und Helmen die Sonne blinkte. Hinter ihnen marschierten Bogenschützen zu Tausenden sowie auf Kavalleriepferden sitzende Knappen.
    Sie hatten auf dem Heideland bereits eine Entfernung von fünf bis sieben Meilen von Burg Groverman zurückgelegt. Auf eine so große Entfernung, in so verunreinigter Luft, konnte er sie nicht genau erkennen. Der trockene Staub verbarg ihre Stärke, wurde er doch zu Hunderten Fuß hohen Wolken aufgewirbelt. Fast sah es aus wie der Rauch eines Waldbrandes.
    Doch was er unter diesem Staub sah, war nicht die Glut eines Feuers. Er sah die Wärme des Lebendigen, die Wärme Hunderttausender lebender Körper.
    Inmitten der Horde schwankten Wimpel in einem Dutzend Farben – die grünen Banner von Lysle, die grauen von North Crowthen, die roten von Internook.
    Das kann nicht sein, entschied er. Der König von Internook war tot, hatte seine Feuerdeuterin berichtet.
    Schon möglich, sagte ihm sein gepeinigter Verstand, aber Internooks Armee marschiert nichtsdestotrotz.
    Raj Ahten beruhigte seinen Atem und schloß die

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