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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»Schmarotzerschnecken« haben, wenn er sie einer solchen Tortur aussetzte. Er verzog angewidert das Gesicht. »Also jetzt wird mir allmählich klar, wie das vorhin gemeint war, als Sie von der Verschrobenheit der Hochländer gesprochen haben.«
    »Nicht wahr!«, freute sich der Herzog. »Ein schönes Beispiel.«
    Nach dem Bankett stand leichtere Unterhaltung auf dem Programm. Jetzt kam Großbritanniens einzige gesetzlich zugelassene Privatarmee zum Zuge. Auf dem quadratischen Kiesplatz hinter dem Schloss führten die Krieger in den karierten Röcken klassische schottische Freizeitbeschäftigungen vor wie Exerzieren, Tanzen, Dudelsackpfeifen und Baumstammwerfen.
    Als die Sonne sich dem Horizont näherte – es war bereits nach neun Uhr abends –, standen David und Rebekka hoch oben auf der Zinne des uralten Nordturmes und lauschten der schwermütigen Melodie eines einzelnen Dudelsackpfeifers. Sie hatte sich mit dem Rücken an seine Brust gelehnt und er hielt sie mit seinen Armen fest. Gemeinsam ließen sie ihre Blicke über das raue Hochland schweifen. In der Ferne leuchtete der Gipfel des Beinn-a-Ghloe im Abendrot.
    »Hier ist es wunderschön«, sagte Rebekka leise, um sich sogleich zu verbessern. »Es ist wunderbar, mit dir diesen Augenblick zu erleben. Ich möchte, dass er nie zu Ende geht.«
    »Hito hat mir einmal geschrieben: ›Zeit ist der Stoff, aus dem das Leben ist.‹ Demnach ist dieser Augenblick nur ein winziger Fetzen davon. Ich freue mich schon auf mehr davon.«
    Rebekka rieb sich an David wie eine Bärin an einem Baumstamm. »Stell dir vor, wie es sein wird, wenn wir ganz und gar in diesen Stoff eingewickelt sind. Ganz dicht beieinander, ganz fest, damit man uns nie mehr auseinander bekommt.«
    David küsste Rebekkas Hals. Die Wärme ihres Körpers ließ ihn den frischen Abendwind vergessen. Da ertönte unvermittelt eine Stimme vom Kiesweg unterhalb des Turmes. Es war Ben, des Herzogs »Mädchen für alles«. Der Diener hatte die Hände am Mund zu einem Trichter geformt und rief mit lang gezogenen Vokalen: »Mr Newton, Sir! Der Herzog bittet Sie und Ihre Gemahlin nun zum Ball zu kommen.«
    Das Paar ließ den romantischen Augenblick entfliegen. Fast widerwillig kehrten sie über eine schmale Treppe ins Schloss zurück. Ben erwartete sie schon am Fuße des Hauptaufganges, um sie in den Festsaal zurückzugeleiten, wo sie schon ungeduldig von dem Herzog erwartet wurden.
    »Der Prinzregent Hirohito hat mir ausdrücklich aufgetragen, ich solle Ihnen einen bunten Ball schenken. Hier ist er«, begrüßte John Stewart-Murray die Brautleute und deutete auf die Festgesellschaft im Raum, der nun, bis auf zwei lange Stuhlreihen an den Längsseiten des Saals, leer geräumt war.
    Auf sein Zeichen hin stimmten zwei Dudelsackpfeifer eine fröhliche Melodie an und vier andere Highlander begannen über am Boden gekreuzte Schwertklingen zu hüpfen. Die Vorführung diente nur als Auftakt für einen wahrhaft »bunten Ball«. Bald tanzte fast jeder zu den mal volkstümlichen, mal klassischen Melodien des Orchesters. Viele der ausgelassen springenden und sich drehenden Gäste kamen David und Rebekka bekannt vor, wenn sie sich auch nicht erinnern konnten sie zuvor an der Tafel gesehen zu haben. Als Rebekka eine diesbezügliche Frage an die Herzogin richtete, hatte diese eine ganz einfache Erklärung parat.
    »Das ist unser Dienstpersonal, das sich da so prächtig amüsiert.«
    »Und ich habe immer gedacht, alle Briten seien Snobs«, erwiderte Rebekka scherzhaft in ihrem französischen Akzent.
    Die Herzogin lachte. »Ich weiß, aber hier sind wir in Schottland, meine Liebe. In ganz England klagt man über zu wenig Personal. John und ich kennen dieses Problem überhaupt nicht. Wir brauchen in unserem Haus neben dem Schloss nicht viele Dienstboten. Und wenn wir hin und wieder einen Empfang wie diesen hier geben, dann drängen sich die Dorfbewohner regelrecht auf, uns helfen zu dürfen. Männer und Frauen, jung und alt, strömen dann zu uns herauf, was uns jedes Mal aufs Neue mit der Schwierigkeit konfrontiert, die richtige Wahl zu treffen. Wir… Oh, entschuldigen Sie mich bitte, meine Liebe.«
    Ein Mann, der aussah wie ein Bauer, hatte die Herzogin zum Tanz aufgefordert, was diese umgehend annahm. Offenbar gehörte es hier zur Bezahlung, mit der Dienerschaft zu tanzen, dachte Rebekka, die den beiden davonhüpfenden Schotten kopfschüttelnd nachblickte.
    Als der Abend schon fortgeschritten war, unterbrach der inzwischen nicht

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