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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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mehr ganz nüchterne Hausherr die Lustbarkeiten der Hochzeitsgesellschaft für eine kurze Bekanntmachung. Er wolle als Chef des Murray-Clans – sozusagen hochoffiziell – dem Hochzeitspaar noch einmal zu seiner Eheschließung gratulieren.
    »Ich habe mir lange überlegt«, fuhr er dann fort, »was ich Ihnen schenken kann. Schließlich bin ich mit mir und meinem geliebten Weib übereingekommen, dass die Erinnerungen an schöne, gemeinsam verlebte Stunden zu unseren kostbarsten Besitztümern gehören. Deshalb wollen wir Ihnen, abgesehen von diesem Abend, ein paar unvergessliche Tage in den Highlands schenken. Bleiben Sie so lange Sie wollen auf Blair Castle . Essen und trinken Sie und lassen Sie es sich wohl ergehen. Und wenn Sie beide glauben, die Zeit zu gehen sei gekommen, dann behalten Sie uns in guter Erinnerung.«
    Der ganze Saal applaudierte.
    Das Brautpaar war gerührt. David dankte, auch im Namen der Braut, für die Gastfreundschaft des Herzogs und der Herzogin. Schon dieses Fest sei unbeschreiblich, das ganze Hochzeitsgeschenk gewiss unvergesslich.
    »Damit Sie uns aber doch nicht ganz mit leeren Händen verlassen, möchte ich Ihnen ein kleines, sagen wir symbolisches, Geschenk überreichen. Es ist ein Tartan mit dem Muster der Familie Murray von Atholl. Möge es Sie immer an die glücklichste Zeit Ihres Lebens erinnern.«
    Sichtlich bewegt nahmen David und Rebekka gemeinsam den Umhang entgegen. Das dicht gewebte Tuch bestand aus Wolle und Seide, war blaugrundig und mit einem Karomuster aus dicken grünen sowie sehr dünnen rotbraunen Streifen überzogen. Der Herzog half David den Tartan so zusammenzulegen, dass er ihn nach Art der Hochländer über der Schulter tragen konnte.
    Hiernach flammte die Ausgelassenheit erneut und in noch größerer Lautstärke als zuvor auf. Zwischendurch deutete der Herzog mit sichtlich abfälliger Miene auf zwei besonders wild tobende Gäste und meinte, dies seien die »Schmarotzerschnecken«.
    David und Rebekka mussten feststellen, dass sich James und Dorothea Smail, abgesehen von ihrer erkennbaren Mühe sich zu amüsieren, kaum von den anderen Gästen unterschieden. Die beiden waren etwa Ende zwanzig. Ihre Garderobe sah stellenweise schon etwas abgewetzt aus, aber andere Gästen kamen noch viel ärmlicher daher. Auch musste man einräumen, dass der gedrungene James neben seiner spindeldürren hoch geschossenen Dorothea einen etwas unterentwickelten Eindruck machte. Aber sonst taten die beiden wirklich ihr Bestes das Fest in allen seinen Facetten auszukosten. Ihre Gesichter strahlten ekstatisch und sie glänzten buchstäblich – ob vom Fett der gereichten Kanapees oder vom Schweiß, war aus der Entfernung nicht auszumachen.
    Irgendwann gegen Mitternacht verabschiedete sich das Brautpaar. Man sei müde und wolle ins Bett. Der Herzog zwinkerte dem Bräutigam grinsend zu, enthielt sich aber sonst jeden Kommentars.
    Ben steuerte das Paar wieder sicher über Treppen und durch Flure zu seinen Gemächern zurück. Dort angelangt deckte er das Bett auf und als die Brautleute seine Frage nach irgendwelchen offenen Wünschen verneinten, verabschiedete er sich mit einer Verbeugung.
    »Endlich allein!«, seufzte David. Erschöpft ließ er sich aufs Bett sinken.
    Rebekka stand unschlüssig vor ihm und spielte mit einer Locke ihres Haars herum. »Gehst du zuerst ins Badezimmer oder soll ich?«
    Erst in diesem Augenblick wurde David klar, worauf diese Frage hinauslief. Schließlich war das ihre Hochzeitsnacht. Anstatt zu antworten, glotzte er Rebekka nur an, wie ein Forscher eine bisher unentdeckte Riesenblume betrachten würde, von der er nicht ganz sicher war, ob sie zu den Fleisch fressenden Pflanzen gehörte.
    Rebekka bemerkte zweifellos diesen bangen Ausdruck in seinen Augen, denn sie trat dicht an ihn heran, beugte sich zu ihm herab und flüsterte in sein Ohr: »Ich kann ja vorgehen und du machst es dir hier schon mal gemütlich. Was hältst du davon, Liebling?«
    Der Hauch ihres Atems ließ wieder diesen wohligen Schauer über seinen Rücken laufen, den er schon auf der Fahrt nach Blair Atholl genossen hatte. Aber jetzt war das Gefühl viel heftiger als in der rüttelnden Bahn. Durch ein rasches Kopfnicken signalisierte er Einverständnis.
    Eher schwebend als schreitend begab sich Rebekka zum Bad. Die Tür zum Flur hatte sie offen gelassen, sodass David sehen konnte, wie sie langsam die Badezimmertür hinter sich zuzog.
    Endlich konnte er wieder frei atmen. Beinahe ängstlich drehte

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