Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Deutschland herauskommen.«
»Es ist ja nicht einmal gesagt, dass ich überhaupt in Gefahr bin.«
Ayckbourn lächelte großväterlich. »Wollen Sie es darauf ankommen lassen, David?«
Entweder war der Secret Intelligence Service unfähig oder er konnte wirklich nichts über den Verbleib der Blumenthals herausfinden. Es gab auch keine Nachricht darüber, ob die Gestapo Chaim erwischt hatte. Das Auftauchen von Pünktchen in der Nacht nach der Verhaftung legte diese Vermutung zwar nahe, aber vielleicht hatte Chaim sich ja absichtlich von ihr getrennt. Ein Gesuchter mit einem Dalmatiner – jedes Kind musste ihn schon auf einen halben Kilometer erkennen. Möglicherweise hatte Chaim die Hündin einfach fortgejagt, in der Hoffnung, sie würde nach Hause laufen und von David und Rebekka aufgenommen werden.
Die Ungewissheit über das Schicksal der Blumenthals machte David fast krank. Wenigstens half sie ihm über den Widerwillen bezüglich des vorgeschlagenen Arrangements hinweg. Väterchens Gestapo-Andeutungen hätten David der neuerlichen Dienstverpflichtung durch den SIS kaum zustimmen lassen, aber er konnte seine Freunde doch nicht im Stich lassen!
Die dunkle Limousine vor dem Haus am Richardplatz wurde zu einer festen Einrichtung. Einmal stellte sich David einen strahlend gelben Schriftzug auf den Flanken des Fahrzeugs vor.
Bitte nicht stören! Gestapo-Spitzel im Dienst.
Im nächsten Moment prangten die Worte tatsächlich am Mercedes. Der Wagen wurde samt Insassen ausgetauscht und die Observierung fortgesetzt.
Anfang April kamen dann die »Ledermäntel« hinzu. So nannte David die Herren, die ihm ständig hinterherschlichen. Jemand hatte die Daumenschraube enger gezogen. Ob Papens Einfluss bis nach Berlin reichte? Abwegig war das nicht, wenn man bedachte, dass Toyama die Familie Davids um den ganzen Globus gejagt hatte.
Es war mühsam, immer wieder die Beschatter abzuschütteln. Offiziell tat David ja nichts Verbotenes. Er war ein Korrespondent, der deutsche Ruhmestaten mit seiner Schreibmaschine verewigte und zur Veröffentlichung ins Ausland schickte – nachdem das Propagandaministerium seinen Zensurstempel aufgedrückt hatte.
Dennoch: Dass er in letzter Zeit auffällig oft in der Nähe der Kriegsakademie, dem Reichswehrministerium und anderen kriegswichtigen Amtsstellen herumlungerte, mochte schon verdächtig erscheinen. Deshalb war es ihm auch so wichtig, die Ledermäntel immer schnellstens loszuwerden, sobald er das Haus verließ.
Der von Väterchen angediente Handel auf Gegenseitigkeit verlangte David große Überwindung ab. Er sollte Informationen über die Kriegsvorbereitungen Deutschlands sammeln. Wenn er innerhalb weniger Wochen das Land verlassen wollte, konnte er natürlich nicht selbst den »Maulwurf« spielen und sich mit falscher Identität in irgendein Ministerium oder bei der Heeresleitung einschleichen, um an die gewünschten Informationen zu gelangen. Außerdem widerstrebte ihm auch nach wie vor eine derartige aktive Rolle im Geheimdienst – welches Landes auch immer.
Väterchen kannte jedoch Davids außergewöhnliche Gabe, Menschen in Gespräche zu verwickeln und ihnen dabei die Wahrheit zu entlocken. Darauf setzte er. David erhielt von ihm eine Liste mit Namen und für jeden Genannten ein Dossier. Der frisch gebackene Agent durfte selbst wählen, wie er weiter vorging.
David nutzte die Gelegenheit, um auch in eigener Sache zu ermitteln. Zwischen Februar und April 1937 verausgabte er sich völlig. Der Einsatz seiner besonderen Eigenschaften kostete ihn mehr Kraft als der seiner normalen Sinne. Er beobachtete seine Zielpersonen, pirschte sich heran, verwickelte sie in scheinbar belanglose Unterhaltungen und – wenn seine »Antennen« positive Signale meldeten – ging er in die Tiefe.
Langsam konzentrierte er sich auf einige für ihn besonders interessante Persönlichkeiten. Zu ihnen gehörten Wilhelm Canaris und Hans Oster, die – man glaubt es kaum – im Reichswehrministerium für die Spionageabwehr arbeiteten. David rechnete sich die Gewinnung der beiden Spionjäger als Meisterstück an.
Canaris hatte bei der Marine Karriere gemacht. Seit dem Flottenabkommen vom Juni 1935 zwischen Deutschland und Großbritannien durfte man wieder offen über die Aufrüstung des Deutschen Reiches zur See sprechen. Dies nahm David zum Anlass für sein Auftreten als Reporter. Canaris erwies sich bald als sehr empfänglich für Davids »Wahrheitstropfen« und Gleiches konnte man von seinem
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