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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Vorgesetzter befand. David vernahm eine dumpfe Stimme, die offenbar Bereitschaft zum Empfang des Gastes signalisierte, denn der Sekretär öffnete ohne Umschweife und bedeutete ihm einzutreten.
    David war noch aufgeregter als bei seinem Interview mit Präsident Coolidge. Was für einen Menschen würde er hinter dieser Tür treffen? Ohne Frage jemanden, der dem Kreis der Dämmerung nützlich sein konnte. Aber war Pacelli möglicherweise mehr als das? Ein willfähriger Helfer? Oder gar ein Logenbruder Lord Belials?
    Sollte Letzteres der Fall sein, dann würde ihn der Siegelring des Geheimbundes schnell verraten. Und wenn es nicht so einfach ging? Erkannte Pacelli seinen Besucher, musste David mit seinem feinen Gespür für die Gefühle anderer Menschen unweigerlich eine verräterische Reaktion bemerken. Gewiss hatte Negromanus schon lange vor seinem Tod die Logenbrüder vor ihrem gefährlichsten Gegner gewarnt, sie vielleicht sogar mit Bildern versorgt.
    Langsam, doch mit sicherem Schritt passierte David den Türsteher Leiber, der noch immer einladend in Pacellis Amtszimmer deutete. Der Sekretär lächelte David aufmunternd zu.
    Eugenio Pacellis geräumiges Arbeitszimmer hätte einem Landedelmann aus Latium nicht schlecht zu Gesicht gestanden. Die Wände waren mit dunklem Holz getäfelt, der Boden mit dicken Teppichen ausgelegt. An den hohen Fenstern hingen dünne Tüllgardinen und darüber schwere Samtvorhänge, die im Sommer zur Abwehr der Sonne dienen mochten. Jetzt flutete das Licht ungehindert in den Raum. Ein Fenster stand eine Handbreit offen, mit einem Haken arretiert, und die Gardine bauschte sich vor jeder hereinstürmenden Windbö.
    Kardinal Pacelli wartete geduldig, bis David etwa die halbe Distanz bis zu dem monumentalen Schreibtisch bewältigt hatte. Erst dann erhob er sich, verbarg die Hände hinter dem Rücken, bevor sie noch über der Tischplatte auftauchen konnten, und kam dem Gast gemessenen Schrittes entgegen. Die ganze Zeit über behielten sich beide Männer fest im Blick.
    Der Kardinalstaatssekretär war auffällig schlank, ja hager. Er trug einen schwarzen Talar mit unzähligen goldfarbenen Metallknöpfen, die sich über einer purpurrot eingefassten Knopfleiste von der Brust bis dicht über den Boden hin fortsetzten. Auch seine Bauchbinde leuchtete im Kardinalspurpur. Von seinem Hals herab hing ein mit Halbedelsteinen verziertes Kreuz an einer Kette aus Holzperlen. Das Haupt des Vierundfünfzigjährigen war unbedeckt, sein kurzes Haar noch erstaunlich dunkel, jedoch wohl schon seit längerer Zeit auf dem Rückzug vor der Stirn. Hinter einer runden Nickelbrille funkelten zwei wache dunkle Augen.
    Hat er mich erkannt? Wenn ja, dann stand eines fest: Pacelli gehörte zum Kreis der Dämmerung. Für David schienen Minuten zu verstreichen, als er die dunklen Augen des Kardinals zu ergründen suchte, aber in Wirklichkeit vergingen nur wenige Sekunden.
    Er konnte nicht die geringste Regung entdecken, die auf ein Erkennen hindeutete. Entweder stimmte, was man sich über Pacellis schauspielerische Qualitäten erzählte, oder er sah Davids Gesicht wirklich zum ersten Mal.
    »Herzlich willkommen«, sagte der Kardinal endlich auf Deutsch und streckte seinem Besucher die linke Hand entgegen.
    David zuckte unwillkürlich zusammen, starrte auf die auffällig tief gehaltenen Finger. Pacelli trug, ganz unüblich für einen Geistlichen, weiße Baumwollhandschuhe, und da prangte tatsächlich ein dicker goldener Ring am Mittelfinger des Kardinals. Eine heiße Welle durchflutete Davids Körper, doch dann bemerkte er den Unterschied: Es war keiner von Lord Belials zwölf Siegelringen, der da aufblitzte, sondern ein ganz normaler schwerer Fingerreif, den im Kniefall zu küssen der hohe kirchliche Würdenträger nun von seinem Besucher erwartete.
    Verstohlen schielte David nach Pacellis rechter locker herabhängender Hand. Gab es da nicht eine verräterische Wölbung unter dem weißen Stoff? Trug der Kardinal etwa noch einen weiteren Ring, den er verbergen wollte, wie es einst auch Toyama getan hatte?
    Um sich dem Ringkuss zu entziehen, sagte David nach einer wohl dosierten Verneigung: »Verzeiht, Eminenz, ich bin kein Katholik. Dennoch möchte ich Ihnen Gottes Frieden und seinen Segen wünschen, damit Ihre Entscheidungen stets von seiner Weisheit getragen werden.«
    Pacelli zog die verschmähte Hand wieder zurück. Sein Lächeln wirkte ein wenig unterkühlt, aber seine Stimme klang keineswegs herablassend, sondern nach

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