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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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später auf dem Bahnsteig des Frankfurter Hauptbahnhofs. Während er auf den Zug wartete, ging ihm durch den Kopf, wie schlecht der einstige Reichskanzler Franz von Papen doch das deutsche Haus beschützt, ja sogar dem Schlächter Hitler Tür und Tor geöffnet hatte. David hielt die Zeit der Abrechnung für gekommen. Mit diesem Gedanken stieg er in den Zug nach Braunschweig.
    Leider besaß er keinerlei Anhaltspunkte, wo sich sein alter Widersacher aufhielt, aber das, so hoffte er, würde sich bald ändern. Über die Primel hatte er Kontakt zu einem hohen deutschen Justizbeamten namens Fritz Bauer bekommen. Der Mann sei Generalstaatsanwalt in Braunschweig und habe für Nazis nicht viel übrig, versicherte Rubens sensibler Malerkollege. Bauers Erinnerungen an das Konzentrationslager hielten diese Antipathie wach. Wie die beiden Kunstschaffenden war auch Fritz Bauer Jude. Herschel Goldblum hatte den Juristen 1937 im dänischen Exil kennen gelernt. Als die deutsche Wehrmacht dann Dänemark besetzte und Bauer erneut inhaftiert wurde, trennten sich die Wege der beiden. Herschel war die Flucht nach Amerika gelungen, Bauer hatte später nach Schweden entkommen können, wo er bis Kriegsende als Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Stockholm arbeitete. Seit 1949 lebte er wieder in Deutschland.
    Im Schatten des Braunschweiger Doms kam es zu Davids erster Fühlungnahme mit Fritz Bauer. Sie trafen sich in einem Restaurant, dessen rustikale Inneneinrichtung noch aus der Vorkriegszeit stammte. Der niedersächsische Generalstaatsanwalt war eine imponierende Erscheinung: etwa fünfzig Jahre alt, hoher Wuchs, graue buschige Augenbrauen, gekleidet in einen gepflegten, wenn auch etwas altmodisch wirkenden dunkelgrauen Anzug, aber umgeben von einer Aura selbstbewusster Liebenswürdigkeit.
    David war ihm von der Primel als seriöser Journalist angekündigt worden, der Bauers Leidenschaft teile, abgetauchten Nazis nachzuspüren. Nicht um spektakuläre Artikel gehe es ihm, betonte David während des Essens, auch nicht um Rache für seine ermordete jüdische Frau, sondern um Gerechtigkeit und Aufklärung. Er wolle die Mechanismen der Unmenschlichkeit bloßlegen, damit nicht eines Tages – womöglich in globalem Ausmaß – Fortsetzung fand, was im Tausendjährigen Reich seinen Anfang genommen hatte.
    Wie meist bei derartigen Unterhaltungen hegte Davids Gesprächspartner keinerlei Misstrauen gegen ihn. Fritz Bauer spürte, wie ihm der Fremde sein Herz öffnete, und das schuf Vertrauen.
    »Auch ich will Recht, nicht Rache«, betonte Bauer freimütig. »Gerichtstag halten über die gefährlichsten Faktoren unserer Geschichte – das ist die mir selbst gestellte Aufgabe. Wie mir Herschel mitteilte, suchen Sie einen hochrangigen Nazi. Kann ich Ihnen dabei irgendwie behilflich sein, Mr Claymore?«
    »Das hoffe ich zumindest. Es geht um Franz von Papen.«
    »Hitlers Vize? Warum gerade er? Papen mag ein politischer Stümper sondergleichen sein, machtbesessen und intrigant, aber warum jagen Sie nicht den KZ-Arzt Josef Mengele oder Hitlers Sekretär Martin Bormann…«
    »Wenn ich Sie unterbrechen darf, Herr Bauer. Es geht mir nicht allein darum, das Ihrem Volk zugefügte Unrecht ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, sondern um wesentlich mehr… «
    »Die Aufarbeitung der Ermordung von sechs Millionen Juden erscheint mir Aufgabe genug.«
    »Und ich halte sie für richtig und notwendig. Was aber würde geschehen, wenn wir vor lauter Vergangenheitsbewältigung die Gegenwart und Zukunft vergäßen? Die katastrophalen Auswüchse des Dritten Reichs sind meiner Meinung nach nicht die Folge einer singulären Mutation im Organismus der Menschheit. Es ist nicht damit getan, dieses Krebsgeschwür mit dem Skalpell herauszuschneiden, also einige Kriegsverbrecher in Prozessen zu verurteilen.«
    »Um in Ihrem Bild zu bleiben: Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen wollen, der Tumor des Nationalsozialismus habe vor seiner Entfernung Metastasen gebildet, die nun im Kreislauf der Welt zirkulieren und neue Geschwüre bilden. Man muss diese Krankheitsherde mit rechtsstaatlichen Mitteln lokalisieren und ausmerzen.«
    »Ich gehe aber sogar noch einen Schritt weiter, Herr Bauer. Meine persönliche Bestimmung liegt in der Verhinderung einer globalen Katastrophe, gegen die Hitlers Holocaust und der Zweite Weltkrieg nur kleine Flämmchen wären.«
    Zum ersten Mal wirkte der Jurist skeptisch. Was David damit meine, wollte er wissen, und welche Gefahr ein

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