Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer
Heuhaufen zu finden.
Wenigstens fühlte er sich in Rom um einiges heimischer als in Buenos Aires. Schon am Tag nach seiner Ankunft fand David ein möbliertes Zimmer in der Via Vittoria d’Alibert unweit des Augustusmausoleums. Es stand unter der Beaufsichtigung einer stattlichen Witwe namens Rosamaria Albertini. Die Ankündigung, bei ihr werde er sich geborgen wie in Abrahams Schoß fühlen, wagte er nicht anzuzweifeln. Außerdem erbot sie sich ihn zu bekochen, gegen ein geringes Aufgeld, versteht sich. Später sollte er den Tag noch preisen, an dem er sich für dieses Arrangement entschieden hatte.
Am nächsten Morgen begann er mit seinen Ermittlungen in der Via dei Giubbonari. Dottore Giancarlo Guicciardini, jener Dogmatiker, der David und Rebekka 1930 als Wirt und Berater in Kirchenangelegenheiten gedient hatte, lebte nicht mehr. Sein schwaches Herz habe einfach nicht mehr mitgespielt, erzählte ein sichtlich mitfühlender Hausgenosse. Allerdings lebe der Graupapagei des frommen Mannes noch. Er, der Nachbar, habe sich des verwaisten Tieres angenommen. Er deutete in das Innere der dämmrigen Wohnung und fragte, ob David komme, um es abzuholen.
»Nein«, antwortete dieser rasch. »Bei Ihnen ist der Vogel sicher besser aufgehoben.«
Der betagte Mann lächelte dankbar. »Vielleicht kommen Sie in fünfundzwanzig Jahren noch einmal wieder, dann hat der Papagei auch mich überlebt.«
» So Gott will«, knarrte es aus dem Flur.
David klapperte alle seine Anlaufstellen aus der Zeit zwischen den großen Kriegen ab. Die Ergebnisse waren nicht sehr ermutigend. Seine erste Frage galt dabei immer Franz von Papen und die zweite Lorenzo Di Marco. Niemand aber konnte ihm eine befriedigende Antwort geben. Beide Männer waren wie vom Erdboden verschluckt. Er fürchtete schon, seine Suche in der Ewigen Stadt könne sich genauso zeitaufwändig gestalten wie das Unternehmen in Argentinien, als er überraschend eine verheißungsvolle Bekanntschaft machte.
Der Mann war ungefähr sechzig und arbeitete im Kurienamt für außerterritoriale Liegenschaften des Vatikans. Vielleicht hieß die Behörde auch anders. Ihr Name prägte sich David jedenfalls nicht ein. Etwas ganz anderes fesselte seine Aufmerksamkeit. Er hatte den Mann nicht etwa bei seinen Erkundungsgängen in der Vatikanstadt kennen gelernt, sondern in einem kleinen Restaurant mit malerischem Blick auf den Tiber, das den Namen Mario in Trastevere trug. Der Alte hieß Ugo Buitoni und brachte seine Zeit mit der Pflege von Kladden zu, in denen alles Wissenswerte über die vatikanischen Besitztümer außerhalb der Citta del Vaticano verzeichnet war. Derer gab es, offiziell, nicht viele, aber der Vatikanstaat war vielleicht das reichste Land der Erde und, wie Ugo augenzwinkernd andeutete, »stiller Teilhaber nicht weniger Unternehmen und durchaus engagiert in Kapitalanlagen«.
David erinnerte sich der päpstlichen Munitionsfabriken aus der Zeit des Abessinienkrieges, lächelte verständnisvoll und fragte: »Kennen Sie Franz von Papen?«
»Sie meinen den Deutschen, der das Reichskonkordat auf den Weg gebracht hat?«
»Oh ja! Er ist Ihnen also bekannt.«
»Nicht persönlich. Stehe schon ziemlich lange in Diensten des Heiligen Vaters. Da bekommt man eben so einiges mit.«
»Schade«, sagte David enttäuscht.
»Warum fragen Sie?«
»Ich bin Journalist. Vom Time-Magazin haben Sie sicher schon einmal gehört.«
Der Hüter der päpstlichen Liegenschaftsvermerke nickte wissend. Dann holte er tief Luft, als wolle er etwas sagen, zögerte, um schließlich zu flüstern: »Es wird da allerdings gemunkelt…« Die Stimme des Alten versiegte – eine bühnenreife Vorstellung zur Steigerung der Spannung.
David machte das Spiel mit, beugte sich über den Tisch und fragte: »Was wird denn so erzählt?«
»Angeblich soll Seine Heiligkeit einen Deutschen bei sich einquartiert haben, der unter Hitler ein großes Tier war.«
»Sie meinen Pius XII. versteckt einen Nazi?«
»Sind Sie verrückt?«, zischte der Kladdenmeister und warf den Oberkörper zurück.
»Entschuldigung.« Du benimmst dich wie ein Anfänger, David! »Und Sie wissen wirklich nicht, wie der Name dieses Deutschen lautet?«
»Möglicherweise kenne ich jemanden, der Ihnen weiterhelfen kann.«
»Und jetzt brauchen Sie ein Mittelchen, um Ihre Erinnerung aufzufrischen.« David seufzte. »An wie viel haben Sie gedacht?«
»Eine Flasche Grappa dürfte genügen.«
Oh. Billiger, als ich gedacht habe. David hob den Arm
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