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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wusste.
    Endlich brach sich ihre heisere Stimme eine Bahn. »Wer sind Sie wirklich, Herr Gladius?«
    David wischte sich mit der Hand den kalten Schweiß von der Stirn. Seine Augen glänzten feucht. Er lächelte, eine unbeholfene Mischung aus Wehmut, Schmerz und scheuem Glück. »Ich… ich bin dein Großvater, Mia. David Camden. Rebekka ist…« Davids Stimme erstarb in lautem Schluchzen.
     
     
    Sehr zum Unwillen der beiden aufmerksamen Anstandsdamen hatte das junge Ding den alten Don Juan auf ihr Zimmer geschleppt. Ein Skandal! Vielleicht sollte man doch besser den Hotelmanager informieren…
    Nur wenige Worte waren nötig gewesen, um jeglichen Zweifel auszuräumen. Mia Rosenbaum hatte am 1. Januar 1972 das Licht der Welt erblickt, um Punkt null Uhr.
    Der Name ihrer Mutter lautete Dina. Sie war tatsächlich Davids Enkelin.
    »Als Rebekka und ich noch in Tokyo lebten, hat sie mir einmal ihre Lieblingsnamen für ein Töchterchen verraten: Dina oder Sarah wollte sie es nennen. Und Mia hieß ihre beste Freundin in Berlin, eine Künstlerwitwe, die an gebrochenem Herzen gestorben ist.« David lächelte schwermütig.
    Mia nickte. »Oma Bekka soll keine Ruhe gegeben haben, bis Mama mir diesen Namen gab. Ich kann es immer noch nicht glauben, Großvater, dass wir uns wiedergefunden haben!«
    Inzwischen hatte sich David wieder einigermaßen erholt. Den Bericht über Rebekkas Leben nach 1939 zu hören war für ihn sehr schmerzlich, aber notwendig gewesen. Er hatte gezittert, war mehrfach in Tränen ausgebrochen. Seine besorgte Enkelin wollte an bestimmten Stellen abbrechen, aber David verlangte, alles zu erfahren.
    Großmutter sei 1939 von der Gestapo verhaftet worden, erzählte Mia. Sie hielt Davids Rechte in ihren Händen, als sei sie ein Vogeljunges mit gebrochenem Flügel. Von ihrer Schwangerschaft habe Rebekka damals noch nichts gewusst. Weil im Hamburger Lager Neuengamme seinerzeit noch keine Frauen interniert worden seien, habe man sie zusammen mit vielen anderen Leidensgenossinnen in einen Laster gepfercht, der die Verhafteten ins Konzentrationslager Ravensbrück bringen sollte. An der Stadtgrenze ereignete sich dann ein schwerer Unfall. Der Lkw kam aus der Spur, kippte um, einige der Gefangenen wurden hinausgeschleudert und waren auf der Stelle tot.
    Nicht so Rebekka. Aber ihre Schulter war gebrochen, sie blutete aus einer Wunde am Kopf und schlimmer noch: Als sie floh, schoss ihr auch noch eine der Wachen hinterher und traf sie an der Hüfte. Trotz ihrer schweren Verletzung konnte sie den Häschern entkommen. Mit letzter Kraft schleppte sie sich in eine Hamburger Wohnung im Stadtteil St. Pauli. Als sie diese völlig verwüstet vorfand, kämpfte sie sich die Treppe zum Dachboden hoch und brach gleich hinter der Tür über einem kleinen Lederkoffer besinnungslos zusammen. Kurze Zeit später sei sie dort, in der Langen Straße, von Frau Nogielsky gefunden worden. Wie zum Schutz über den Koffer geworfen, habe Rebekka dagelegen, hatte sich ihre Retterin später erinnert. Gemeinsam mit dem Enkelsohn habe sie dann die Verletzte notdürftig versorgt und samt Koffer mit nach Heide genommen. Dort hatte Rebekka den Holocaust überlebt.
    Katharina Nogielsky war selbst schwer vom Leben gezeichnet. Der Erste Weltkrieg und die Spanische Grippe hatten ihre drei Kinder hinweggerafft, die Nazis später in Dachau Alois Stanglhuber, ihren zweiten Mann, ermordet. Nur Paul, Sohn ihrer ältesten Tochter, war ihr geblieben. Von den Münchener Nachbarn verachtet, hatte sie für sich und ihren Enkel unter dem Namen des ersten Ehemannes in Ostfriesland einen neuen Anfang gesucht. Kurz vor Kriegsausbruch zog sie dann nach Heide um. Dort war Ferdinand Klotz, Davids Sonderermittler in Sachen Johannes Nogielsky, auf sie gestoßen. Hatte die Suche nach Johannes nun Rebekkas Martyrium verursacht oder sie gerettet? David entschied sich für Letzteres: Der Kreis der Dämmerung hätte sie andernorts vielleicht getötet, aber so wurde die Familie Nogielsky zu ihrem Retter. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, während er einmal mehr feststellen musste, wie sich in seinem Leben die unscheinbarsten Vorkommnisse zu einem großen Ganzen fügten.
    Großmutter habe sich nach ihrem Erwachen an nichts mehr erinnern können, berichtete Mia. Deshalb untersuchte Katharina Nogielsky den Inhalt des kleinen Koffers, an den sie sich festgeklammert hatte. Bei der Erwähnung seines »Schatzkoffers« überlief David ein weiterer Schauer Als er sich in der Langen

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