Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
auseinander lebten. In seiner Beurteilung stand das zwanzigste Jahrhundert nicht nur für Überbevölkerung. Es war auch das Jahrhundert der Einsamkeit. Was würde sich ändern, wenn er Belials Jahrhundertplan doch noch vereiteln konnte? Vielleicht war es längst zu spät, das Steuer herumzureißen.
»Ich denke, wir können dir jetzt ein paar interessante Facts präsentieren«, sagte Davy, als David ihn am Abend des 30. Juni im Wintergarten besuchte.
Mia saß neben dem Hacker und verfolgte jeden seiner Arbeitsschritte am Bildschirm. An einem Nachbartisch brüteten Kim und Dee-Dee über irgendeinem Problem.
»Und das wusstest du nicht schon beim Frühstück?«
»Am Schluss verdichten sich die Informationen und Zusammenhänge werden einem schlagartig klar.«
»Ist ja auch egal. Mia, geh bitte und hol Lorenzo und Ruben herüber. Sie sind nebenan: Sieben Gehirne sind besser als drei.«
Einige Minuten später begann Davy mit der »Präsentation«. Hinter seinem aufgeklappten Laptop saß und stand ein kleines, aber sehr aufmerksames Publikum.
Wie alle wüssten, begann er knapp, habe das Sicherheitssystem von Phosphoros kein ernsthaftes Hindernis dargestellt: In fünf Stunden war es geknackt. Das heimliche Ausspionieren der Daten sei dann schon erheblich schwieriger gewesen. Immerhin hätten sich einige aufschlussreiche Erkenntnisse ergeben.
»Die Massenspeicher von Solas Computersystemen enthalten auffällig viele Details zur zivilen und militärischen Anwendung der Nukleartechnik. Man könnte glauben, unser Freund plane den Bau einer Atombombe. Ich…«
David war schlagartig kreidebleich geworden. »Das ist nicht dein Ernst… «
»Doch. Ich bin mir sogar ziemlich sicher.«
»Aber Phosphoros ist eine Medienfirma und keine Waffenschmiede.«
»Außerdem brauchte man ein ganzes Arsenal von A-Bomben, um die Menschheit auszurotten«, gab Lorenzo zu bedenken.
»Das ist mir auch klar«, sagte Davy. »Doch lasst mich erst einmal ausreden. Lucius Sola beschäftigt einen russischen Atomphysiker, der maßgeblich an der Entwicklung der sowjetischen Neutronenbombe beteiligt war. Aus den Gehaltslisten von Phosphoros geht zweifelsfrei hervor, dass der gute Prof. Dr. Nikolaj Aleksandrowitsch Lomonossow seit sechs Jahren Traumgehälter bezieht, die selbst einen westlichen Spitzenwissenschaftler in Versuchung bringen würden. Während der ganzen Zeit hat Phosphoros nicht die kleinste Meldung veröffentlicht, unter der Lomonossows Name steht. Fast ebenso stiefmütterlich wird das Thema Kernenergie behandelt.«
»Das heißt dann ja wohl, dass Sola für seinen Professor eine andere Verwendung hat«, schlussfolgerte Ruben.
»Das sehe ich auch so«, sagte Dee-Dee. Seine und Kims Finger waren eng ineinander verschlungen. »Mit angesehenen wissenschaftlichen Beratern gibt ein Fernsehsender oder ein Verlag normalerweise an, weil es der Reputation nützt. Wenn Lomonossow nur im stillen Kämmerlein vor sich hin brütet, dann sollten wir uns wirklich für seine Arbeit interessieren.«
»Gibt es irgendwelche konkreten Anhaltspunkte, dass Sola tatsächlich den Bau einer Atombombe plant?«, fasste David nach.
»Solltest du nach gerichtsverwertbaren Beweisen fragen: nein. Allerdings finde ich es schon recht merkwürdig, wenn sich jemand in der ehemaligen Sowjetunion nach ›herrenlosen‹ Neutronenbomben umhört oder auf seinen Festplatten komplette Konstruktionspläne solcher Waffen gespeichert hat.«
»Wenn wir Sola das FBI auf den Hals hetzen, wird er behaupten, an einer Reportage über Waffenschmuggel oder den Terrorismus im einundzwanzigsten Jahrhundert zu arbeiten.«
»Das sehe ich auch so. Übrigens stimmt mich noch etwas anderes nachdenklich: Solas Datenbanken enthalten relativ viele Informationen zum Sarin-Anschlag ‘95 in Tokyo. Außerdem scheint er sich brennend für japanische Atomanlagen zu interessieren. Einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Themen konnte ich aber bisher nicht herstellen.«
»Wir wissen, dass Kelippoth alias Sola mit dem Sektenguru Shoku Asahara verkehrt hat«, murmelte David nachdenklich. Der Giftgasanschlag auf die Tokyoter U-Bahn und die später von Asahara und seinen hörigen Jüngern gelieferten Erklärungen erschienen ihm nach wie vor nicht plausibel. Irgendwo fehlte die alles erklärende Verbindung.
»Vielleicht will er das Material für seine Bombe aus Japan beschaffen«, schlug Kim vor.
»Und das Giftgas? Wozu dieser Terrorakt? Die ganze Welt hat aufgehorcht. Wenn du mich fragst, ein
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