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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zwei Barockmätressen und eine Zebrastute. David überlegte, wie er an den Sicherheitsleuten am Eingang vorbeikommen sollte. Als eine weiße Stretchlimousine vor dem Gebäude hielt und ein Galgen ausstieg, hatte er eine Idee.
    Das Hinrichtungsmöbel kam solo – vermutlich hatte sich kein weibliches Wesen in ein Henkerinnenkostüm stecken lassen wollen. Im Wesentlichen bestand die Verkleidung aus einer langen braunen Kiste mit Armausschnitten, Seh- und Mundschlitzen, einem Querbalken und einer Schlinge. Von irgendwoher zauberte der Galgen eine Einladungskarte und zeigte sie den Wachleuten. Mit unbewegten Mienen gewährten sie dem wandelnden Gerüst Einlass. Von der Straße her beobachtete David wie der allein stehende Galgen versuchte durch das Tor des Metalldetektors zu gelangen. Das Kostüm war etwas zu groß geraten. Sein Träger konnte sich nur mit Hilfe des Sicherheitspersonals weit genug vorbeugen, um das Hindernis zu passieren. Bei der ganzen Aktion gab es kurzzeitig ein solches Durcheinander, dass niemand die einsame Einladungskarte bemerkte, die durch das Foyer ins Freie schwebte.
    David blickte auf den Namen des Galgen: Donald Trump. Er schloss kurz die Augen, überlegte, wie er mit möglichst geringem Aufwand… Ja, das passte! Nun stand ein leicht veränderter Name auf der Karte: Donald Duck.
    Die Sicherheitsleute waren es gewohnt, sich mit Fragen zurückzuhalten, die nicht unmittelbar ihre Aufgabe betrafen. Außerdem hatten sie schon so viele illustre Gäste begrüßt, dass ihnen die Anwesenheit einer der berühmtesten Personen des scheidenden Jahrhunderts kaum ein Wimpernzucken entlockte. Den Metalldetektor trickste David wieder durch die Kraft der Verzögerung aus. Er lief unter dem Rahmen durch, das Gerät schlug an – allerdings erst, als eine Neandertalerin in denkbar knappem Fellkostüm die Schranke passierte. Das Sicherheitspersonal verwandte dann sehr viel Sorgfalt darauf, die leicht beschürzte Urzeitfrau zu »entwaffnen«.
    Im Grunde genommen waren die unteren drei Stockwerke des Gebäudes ein einziger Zirkus voller Narren. Überall pulsierte das Leben, lärmte Musik und gab es Gelächter. Es war erst kurz vor acht. David fragte sich, wie einige der jetzt schon ziemlich alkoholisiert wirkenden Astronauten, Wassernymphen und Kardinäle das neue Jahrtausend bei Bewusstsein erreichen wollten. Nicht nur Champagner, Wein und Spirituosen wurden reichlich konsumiert, auch am Büffet herrschte großer Andrang. Um einige edle Delikatessen wurde erbittert gekämpft. Angeblich sollte der Erlös des Abends den hungernden Kindern in Äthiopien zugute kommen. Hier lag das Gesicht eines Gladiators in einer großen Kaviarschüssel und dort das eines Clowns im Dekollete einer Flamencotänzerin. David war überwältigt von der Dekadenz dieser illustren Gesellschaft. Angewidert begab er sich auf die Suche nach einem Fahrstuhl.
    »Wo bist du, David?« Die Stimme ertönte plötzlich aus dem Ohrstöpsel.
    »Ich bahne mir gerade den Weg nach oben«, antwortete David. Er machte sich nicht die Mühe, leise zu sprechen.
    »Hat Sola seine Gäste noch nicht begrüßt?«
    »Er will wohl warten, bis alle unter dem Tisch liegen.«
    »Umso besser für dich. Wenn du im vierundsiebzigsten Stock angelangt bist, musst du die Fahrstuhltür aufbrechen: Ohne Schlüssel kannst du Solas Penthouse nicht betreten.«
    »Zum Aufwärmen gerade das Richtige für mich.«
    Als David ein ineinander verschlungenes Paar – einen Esel und eine Madame Pompadour – endlich von der Fahrstuhltür weggelockt und den Lift betreten hatte, stieß er auf ein unerwartetes Hindernis.
    »Man kann den vierundsiebzigsten nur mit einem Schlüssel erreichen.«
    Keine Antwort aus der winzigen Ohrmuschel.
    »Davy?«
    »Ich bin da. Daran habe ich nicht gedacht.«
    »Das spielt nun auch keine Rolle mehr. Ich steige einfach ein Stockwerk tiefer aus und bahne mir von dort aus den Weg nach oben.«
    »Könntest du das präzisieren, Großpapa?«
    »Du weißt schon: sanfte Verzögerung.«
    »Verstanden: Du sprengst ein paar Türen weg. Mach nicht zu viel Lärm. Vielleicht hat Kelippoth ein paar Bodyguards da oben.«
    Im dreiundsiebzigsten Stockwerk gab es einen Notausgang zum Schacht mit der Feuerschutztreppe. Die Tür war verschlossen. David riss mit unsichtbaren Händen den ganzen Rahmen aus der Betonwand.
    »Was war das?«, meldete sich wieder Davy.
    »Die sanfte Verzögerung. Jetzt nehme ich gerade die letzte Etappe.«
    »Mir ist fast das Ohr geplatzt! Und einen

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