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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Herzanfall hätte ich auch beinahe bekommen. Wenn dein Urenkel noch seinen Vater sehen soll, dann versuch bitte etwas leiser zu sein.«
    »Schon gut. Für den kleinen David tue ich fast alles.«
    »David? Wer sagt…?«
    »Wusstest du nicht, dass Erstgeborene nach alter Sitte den Namen ihres Urgroßvaters bekommen?«
    »Großvater.«
    »Ja?«
    »Ich will sagen, er sollte nach dem Großvater benannt werden.«
    »Das ist doch Wortklauberei, Davy. Übrigens stehe ich wieder vor einer verschlossenen Tür.« Ein Krachen dröhnte durch das Treppenhaus. »Nein, sie ist offen.«
     
     
    Lucius Sola zeigte sich einigermaßen irritiert, als plötzlich ein Samurai in voller Kampfausrüstung vor ihm stand. Fast noch mehr wunderte er sich über das demolierte Türschloss.
    David hatte den Belial-Jünger sofort wieder erkannt. Es war das Gesicht von Lorenzos Zeichnung, allerdings inzwischen auffällig gealtert. Die Vernichtung der Siegelringe vor siebzehn Jahren musste für die beiden verbliebenen Logenbrüder ein schmerzlicher Augenblick gewesen sein – sie hatten schlagartig den Großteil ihrer Lebenskraft eingebüßt.
    Kelippoth sah aus wie ein rüstiger Achtzigjähriger. Er war mittelgroß, nur leicht übergewichtig, hatte ein runzliges Gesicht und eine schmale gebogene Nase. Zwei tiefe Falten liefen beiderseits der Nase zu den Mundwinkeln hinab. Seine grauen stechenden Augen taxierten David. Plötzlich lächelte er. Er versuchte höflich zu sein, aber es klang überheblich.
    »Das Fest findet in den unteren Etagen statt. Dies hier sind Privatgemächer.« Kelippoth deutete in die Diele, die von seinem Gast zügig durchquert worden war. »Bitte haben Sie die Freundlichkeit und machen die Tür hinter sich zu. Vielen Dank und noch einen unterhaltsamen Abend.«
    David sah sich in dem Raum um. Es war ein großer Salon mit schwarzem Granitfußboden. Zu beiden Seiten einer weißen Ledergarnitur brannten zwei hohe Feuerschalen. Auf dem Hochglanzboden stand afrikanische Kunst: dürre Holzfiguren mit überproportional großen Geschlechtsteilen. Auch an den Wänden hingen Schilde, Speere und anderes Gerät wie frisch aus dem Busch importiert. David hatte sich schon immer gefragt, welcher Logenbruder eigentlich für den Schwarzen Kontinent zuständig war. Am Ende des mindestens zehn mal zehn Meter großen Raumes befand sich eine gläserne Schiebetür, die auf eine Dachterrasse hinausführte. Sie war geöffnet. Vielleicht hatte Sola gerade frische Luft schnappen wollen.
    »Es ist zwar nicht sehr gemütlich hier, aber ich denke, ich werde trotzdem noch ein wenig bleiben.« Demonstrativ machte David einen Schritt auf Kelippoth zu.
    Der Medienzar legte den Kopf schief und nahm den Kostümierten genauer in Augenschein. »Kennen wir uns?«
    »Wir haben uns einmal knapp verpasst.«
    »Ich kann mich nicht entsinnen.« Kelippoth lachte in sich hinein, als hätte er gerade etwas sehr Törichtes gesagt. »Vermutlich laufen Sie ja im richtigen Leben auch nicht mit dieser Panzerung herum.«
    »Bis auf die Schwerter haben Sie Recht. Unsere Beinahebegegnung fand übrigens im September 1982 statt. Im Tal der Schlafenden Zauberer.«
    Das Lächeln Kelippoths gefror. »Wer sind Sie?«
    »Das wissen Sie doch längst, Mr Sola. Oder sollte ich besser Mr Kelippoth zu Ihnen sagen?«
    »Camden!«
    David nahm die Kriegsmaske ab. Den Helm behielt er wegen der elektronischen Ausstattung weiterhin auf. Er lächelte gewinnend. »Na sehen Sie, war doch gar nicht so schwer.«
    »Ziemlich dreist von Ihnen, hierher zu kommen.«
    »Nicht wahr?« David zückte sein Langschwert. In diesem Moment nahm er von links eine Bewegung wahr. Augenblicklich fuhr er herum.
    Der riesige Mann war wie aus dem Nichts aufgetaucht – möglicherweise hatte ihm Davids Name als Stichwort gedient. Jackett, Hose und Stehkragenhemd des Hünen waren schwarz wie die Nacht. Er mochte knapp dreißig Jahre alt und zwei Meter groß sein, war athletisch gebaut, besaß schneeweiße Haare und rote Augen. David erinnerte sich an Rubens Beschreibung des merkwürdigen Penners, dem er im Hof der Gelben Festung begegnet war, kurz bevor diese in Schutt und Asche versank. »Der Bombenleger«, murmelte David. Der Albino musste Kelippoths Leibwächter oder Adjutant sein. Er hielt eine beunruhigend große Pistole in der Hand. Und er grinste. David konnte sehen, wie der Riese einen kurzen Blick mit seinem Herrn wechselte. Kelippoths Augenlider schlossen sich langsam und öffneten sich sofort wieder.
    Der Albino

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