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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hinüber.
    »Ist es schon eine Minute nach zehn? Von hier aus kann ich es schwer erkennen. Mir scheint, ich brauche dringend eine Brille.«
     
     
    »Eins, zwei, drei, Sprechprobe.« David sprach leise und, wie Davy betont hatte, ohne auf das Mikrofon unter seinem Samuraihelm zu achten. Er stand im Park des Landhauses und sah, wie der Hacker hinter den Glasscheiben des Wintergartens den Daumen hob. Es konnte also losgehen.
    »Fast hätte ich es vergessen!«
    »Was?«, ertönte Davys Stimme aus dem Ohrstöpsel, der durch den Nackenschutz des kabuto verdeckt war.
    »Jasons Träne, die Glaskugel aus dem Pergamonmuseum. Sie liegt auf meinem Schreibtisch.«
    »Warte, ich hole sie dir.«
    »Nicht nötig.«
    David konzentrierte sich auf das Fenster seines Arbeitszimmers. Langsam schob es sich nach oben. Gleich darauf ging in dem Zimmer das Licht an, die Glaskugel hob wie ein kleines UFO vom Schreibtisch ab und schwebte durchs Fenster in den Garten hinaus, direkt in Davids Hand.
    »Wie…? Ich verstehe nicht…«, rief Davy. Aus dem Wintergarten hatte er nur den letzten Teil des Fluges verfolgen können, aber selbst der raubte ihm die Worte.
    »Ich habe dir doch von der sanften Verzögerung erzählt. Du hast es sogar auf Video.«
    »Ja, aber ich dachte, damit kannst du nur Türen und Mauern einreißen.«
    »In den letzten hundert Jahren habe ich es etwas weiter gebracht. Albert Einstein sagte einmal zu mir, alles sei relativ. Er hat überhaupt viele interessante Dinge von sich gegeben. Die Erde dreht sich um sich selbst und um die Sonne. Unser Sonnensystem, die Galaxis, ja das ganze Universum ist in ständiger Bewegung. Aber du merkst nichts davon. Solange ein Gegenstand wie die Glaskugel mit dir durch den Kosmos jagt, kommt es dir so vor, als bewege er sich nicht. Sobald ich ihn aber behutsam auf einer, zwei oder noch mehr Bahnen abbremse, setzt er sich relativ zu dir gesehen in Bewegung. Wenn ich es nur geschickt genug mache, dann kann ich ihn in jede gewünschte Richtung schweben lassen.«
    »Das habe ich gesehen.«
    »Warte mal, ich komme jetzt wieder rein.«
    »Wieso, ist mit der Sprecheinheit irgendwas nicht in Ordnung?«
    »Die funktioniert tadellos. Aber ich bin hoffnungslos altmodisch. Zum Abschiednehmen würde ich euch doch lieber richtig in die Arme nehmen.«
    Davy, Mia und Dee-Dee würden ihn zwar nach Manhattan begleiten – in einem speziell präparierten Lieferwagen sollten sie sein Gespräch mit Kelippoth verfolgen und die Vereitelung des Jahrhundertplans in die Wege leiten –, aber niemand wusste, wie Davids Besuch im Phosphoros Building ausgehen würde. Sein Tod lag durchaus im Bereich des Möglichen.
    Kim heulte wie ein Schlosshund. Sie liebte David wie einen Vater. Es erforderte das beherzte Zugreifen Dee-Dees, sie von Davids Hals zu lösen.
    Ruben war da schon viel zurückhaltender. »Du wirst mir fehlen, David.«
    »Danke für alles, mein Freund. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«
    »War nicht der Rede wert.«
    »Was wirst du tun, wenn alles vorüber ist?«
    »Sollte New York morgen noch stehen, kaufe ich mir ein Flugticket nach Berlin. Bevor ich zu meinen Vätern gerufen werde, möchte ich gerne mein Können an einen phantasievollen jungen Maler weitergeben.«
    David nickte. »Du wirst ihn finden, Ruben. Und du wirst ein guter Lehrer sein.«
    Die Verabschiedung von Lorenzo war keine leichte Sache. Die beiden lagen sich in den Armen und Tränen rollten über ihre Wangen.
    »Ich freue mich schon auf unser Wiedersehen«, sagte Lorenzo.
    »Du meinst bei der Auferstehung der Gerechten?«
    Der einstige Mönch nickte. Auf seinem Gesicht lag ein mildes Lächeln. »Johannes, Kapitel 5, Verse 28 und 29.«
    »Ich freue mich auch schon darauf, mein Bruder.«
    »Und ich erst! Besiege das Böse mit dem Guten, David.«
    Der nickte. »Das werde ich tun, Lorenzo.«
    Dee-Dee machte David den Abschied wieder weniger schwer. Ganz anders dann bei Mia und Davy. Erneut drohten Davids Beine nachzugeben.
    »Haltet zueinander, so, wie ich und Rebekka es getan haben.«
    »Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, versprach Davy. »Ich wurde von zwei sehr weitherzigen Menschen aufgezogen. Das prägt.«
    »Und versprecht mir, demnächst mal nach Cornwall zu fahren und euch um das Cottage dort zu kümmern.«
    »Dir scheint ja ziemlich viel daran zu liegen«, sagte Mia. David hatte diese Bitte in den letzten Tagen ständig wiederholt.
    »Rebekka und ich wollten in Stony House unsere Kinder aufziehen. Vielleicht erlebt

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