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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gemeinsam mit drei Mossad-Agenten im Chevrolet die Fahrt nach San Fernando antrat, war er ein einziges Nervenbündel. Zu dumm, dass Rafi Eitan ihn nicht in dem Buick, also dem Entführerwagen, mitfahren ließ! Der Operationschef billigte dieses Privileg nur Männern mit besonderen Fähigkeiten zu. Hätte Eitan gewusst…
    Nun rutschte David also nervös auf seinem Beifahrersitz herum. Das Fahrzeug parkte bei der Brücke, nahe dem Kiosk und der Bushaltestelle, von der Eichmann die letzten Meter seines Heimweges antreten würde. Die Insassen von Wagen Nummer zwei sollten die Zielperson identifizieren. Sobald Eichmann den Bus verließ, würde Avraham Shalom, der stellvertretende Einsatzleiter, die Scheinwerfer des Chevrolet einschalten.
    Um 19.25 Uhr steuerte Zvi den Wagen Nummer eins am Kiosk vorbei und bog in die Calle Garibaldi ein. Er trug Anzug und Krawatte, was ihn wie einen respektablen ausländischen Diplomaten aussehen ließ. Vorangegangene Observationen hatten ergeben, dass Eichmann in etwa fünfzehn Minuten an der Bushaltestelle aussteigen würde. Knapp vierzig Meter vor dessen Haus blieb die schwere amerikanische Limousine stehen. Es war ein dunkler Abend und vieles von dem, was nun geschehen sollte, erfuhr David von Zvi erst Stunden später.
    Zvika, der starke Mann des Teams, und sein Kamerad Zeev Keren stiegen aus. Laut Drehbuch hatten sie eine Panne. Zeev öffnete die Motorhaube und beugte sich über die »Innereien« des Wagens. Weil dieser mit dem Kühler zum Eichmann-Haus hin stand, waren sie von der Straße aus nicht zu erkennen. Zvika postierte sich am Kotflügel, der typische Anteil nehmende, aber technisch unbeschlagene Mitfahrer. Rafi Eitan leitete die Operation vom Fond des Wagens aus, zusammengekauert am Boden.
    Man wartete auf den Bus. Die Reparaturarbeiten zogen sich hin. Nach ungefähr zehn Minuten wurde es brenzlig. Ein vielleicht sechzehnjähriger Junge auf einem Fahrrad rollte heran, den Blick neugierig auf die gestrandete amerikanische Limousine geheftet. Als er den Wagen erreicht hatte, bot er dem Herren unter der Motorhaube technischen Beistand an. Zeev verstand kein Wort Spanisch und Zvika konnte nur »Einen Moment bitte« sagen, was als Antwort nicht in Frage kam. Zvi lächelte aus dem Fenster an der Fahrerseite und sagte akzentfrei: »Vielen Dank! Aber verschwinde jetzt bitte.«
    Der Junge war nicht dumm. Er warf sich in die Pedale und radelte eilends davon.
    Lange hatte man darüber diskutiert, wie lange man einen Motor anstarren kann, ohne dabei Verdacht zu erregen. Ein Vorfall wie das gut gemeinte Hilfsangebot von eben war ein Beweis für die Gefahr, der man sich mit diesem Manöver aussetzte. Als äußerstes Limit hatte man schließlich die Zwanzig-Uhr-Marke festgelegt. Sollte Eichmann bis dahin nicht aufgetaucht sein, musste man die Aktion abbrechen und am nächsten Tag einen neuen Versuch unternehmen.
    Um 19.40 Uhr rollte ein Bus aus Richtung San Fernando heran. Die Route 202 durchquerte hier praktisch unbebautes Land und man konnte die Lichter des Wagens schon aus weiter Ferne sehen. Zur Überraschung beider Einsatzgruppen schenkte der Fahrer des Collectivo Nummer 203 der Haltestelle am Kiosk keinerlei Beachtung. Er brauste einfach Richtung Don Torcuato weiter. Bahnte sich da etwa ein neuer Fehlschlag an? Man beschloss auf den nächsten Bus zu warten. Noch hatte man über eine Viertelstunde Zeit.
    Die Minuten flossen zäh wie Harz dahin. Warum kam der vermaledeite Bus nicht? Rafi Eitan fühlte sich in seinem Befehlsstand zunehmend eingeengt. Sein Rücken schmerzte. Schließlich war die selbst gesetzte Frist um. Was nun?
    Zvi flüsterte über die Schulter: »Verschwinden wir oder warten wir weiter?«
    Der Befehl des Einsatzleiters hinter der Fahrerlehne war knapp: »Warte!«
    Auch bei den vier Insassen von Wagen zwei hatte sich mittlerweile Unruhe breit gemacht. »Es ist schon fünf Minuten nach acht. Ich gehe mal rüber und frage Rafi, wie’s weitergeht«, sagte Avraham und stieg aus. Er hatte David nicht etwa nach dessen Meinung gefragt, sondern ihm nur die Gnade einer Mitteilung erwiesen. Jetzt hielt der stellvertretende Einsatzleiter auf den Buick zu.
    Genau in diesem Moment donnerte ein weiterer Bus heran und kam mit schrillem Quietschen neben dem Kiosk zum Stehen. Wenn jetzt Eichmann ausstieg und zufällig in Avrahams Richtung blickte, konnte die Situation schnell außer Kontrolle geraten. Der Motor des Busses knurrte auf und brachte das Fahrzeug langsam wieder in

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