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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zunächst eine andere Richtung ein, um etwaige Verfolger zu täuschen.
    Der Entführte auf der Rückbank war in eine Art Totenstarre verfallen, Zvi als Verhörleiter richtete nun das Wort an ihn.
    »Bewegen Sie sich nicht und niemand wird Ihnen etwas tun. Wenn Sie Widerstand leisten, werden Sie erschossen!«
    Außer Zvikas Fäusten gab es keine Waffen im Wagen, aber das musste der Mann ja nicht erfahren. Die bedrohlich hervorgebrachte Empfehlung erübrigte sich insofern, da der Gefangene sich ohnehin nicht rührte. Keinen einzigen Laut gab er von sich. Zvis Argwohn regte sich. Er hob die Stimme und wiederholte seine Anweisungen, aber noch immer zeigte die Zielperson keinerlei Reaktion. Sie war doch nicht etwa tot? Manche Männer über vierzig neigen dazu, auf tumultöse Ereignisse mit Herzattacken zu reagieren.
    »Können Sie mich hören?«, schrie Zvi nun, nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Spanisch, »Verstehen Sie mich? Welche Sprache sprechen Sie?«
    Nur das Blubbern des großvolumigen Motors erfüllte den Fahrgastraum. Zvi wäre am liebsten auf seinem Sitz zu einem Häuflein Elend zusammengeschmolzen. Alles war umsonst gewesen. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Dieser elende Kerl haucht das Leben aus, einfach so, ohne sich wenigstens zum Tode verurteilen zu lassen. Wo blieb da die Gerechtigkeit?
    Mit einem Mal meldete sich eine klare Stimme in perfektem Deutsch, »Ich habe mich schon in mein Schicksal ergeben.«
     
     
    Nach ungefähr achthundert Metern bog Zvi Aharoni nach links in eine einsame Straße ab. Wenige Sekunden später blieb der Chevrolet hinter dem Buick stehen. Schon im Wagen hatte sich David den Siegelring Belials an den Finger gesteckt. Jetzt riss er die Tür auf, sprang auf die Straße und lief nach vorn. Zvi hatte das Fenster heruntergekurbelt, grinste und machte mit Zeige- und Mittelfinger das Victory-Zeichen.
    »Habt ihr Probleme gehabt?«, fragte David.
    »Anfangs hat es Meinungsverschiedenheiten über den Verlauf des Abends gegeben, aber nun will er sich der Festnahme nicht weiter widersetzen«, antwortete der Agent.
    »Dann bekomme ich jetzt, was du mir versprochen hast?«
    »Steig auf den Beifahrersitz. Du kannst mit ihm reden, während wir die Nummernschilder wechseln. Ich gebe dir fünf Minuten. Wenn wir im ›Palast‹ sind, bekommst du den Rest von deinem ›Anteil‹.«
    Die Zielperson durfte vom Zeitpunkt ihrer Ergreifung an keinen Augenblick mehr allein gelassen werden. Deshalb wartete Zvi, bis David im Wagen saß. Erst dann folgte er seinen Kameraden ins Freie.
    David blickte auf die Decke hinter dem Sitz, die den Mann verhüllte. Das einzige Licht im Wagen kam von einem weit entfernten Haus. Der Motor lief im Leerlauf. David empfand eine seltsame Leichtigkeit. Es war nicht etwa ein Hochgefühl wie noch vor der Operation, sondern vielmehr die befreiende Leere, die man nach der Lösung eines eigentlich unlösbaren Rätsels empfindet. Jahrelang hatte er Franz von Papen verfolgt, nur um zu erfahren, dass er dem Falschen hinterhergejagt war. Jetzt sah er sich endlich am Ziel seiner entbehrungsreichen Suche – sofern dieser Stumme unter der Decke wirklich Adolf Eichmann war.
    »Wer sind Sie?« Die Frage klang dumpf unter der Decke hervor. Der Mann schien zu spüren, dass er beobachtet wurde.
    David wollte schon antworten, hielt aber plötzlich inne. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Körper unter der Decke. Er stellte sich das aufgeregt schlagende Herz vor. Es bestand aus einzelnen Zellen. Und die wieder aus Molekülen. Wenn man deren Bewegungen nur ein wenig verlangsamte…
    Ein Keuchen ließ ihn sofort innehalten. Verzweifelt nach Luft ringend warf der Mann die Decke zur Seite, krallte eine goldberingte Hand über dem Herz zusammen und blickte mit angstverzerrtem Gesicht zu David auf. Der hatte sich weit über die Lehne des Vordersitzes zurückgebeugt und zeigte sein grimmigstes Lächeln.
    »Mein Herz ist kalt wie Eis«, stieß der Mann empor.
    »Das glaube ich Ihnen«, antwortete David. Wie anders hättest du sonst zum Massenmörder werden können? Er ließ die wild schlagende Pumpe in der Brust des Mannes ein wenig wärmer werden. Schließlich wollte er ihn nicht töten.
    »Hat… hat er Euch zu mir geschickt?«, stotterte der Mann.
    »Was glaubst du, Adolf Eichmann?« David konzentrierte sich nun auf das Rückgrat des Mannes und ließ es allmählich erkalten.
    »Nein! Nicht!«, stieß der panisch hervor. Zwar war Belials rechte Hand lange vor der

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