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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Bewegung. Von der Haltestelle lief eine mittelgroße Gestalt quer über die Straße auf den Chevrolet zu. Es musste Adolf Eichmann sein. Oder…?
    David starrte auf den Schatten des Mannes. Er war sich nicht sicher. Es gab keine Straßenbeleuchtung. Notfalls würde er seine Gabe der Verzögerung einsetzen, den Unbekannten einfach am Boden »festkleben«. Avraham hatte währenddessen richtig reagiert und sich langsam umgewandt. Schlendernden Schrittes kehrte er zum Wagen zurück. Kaum hatte er die Fahrertür geschlossen, schaltete er auch schon die Scheinwerfer ein. Und jetzt konnte es jeder sehen.
    Zvi legte das Fernglas zur Seite. »Das ist unser Mann!«
    Langsam näherte sich die Zielperson der Einmündung zur Calle Garibaldi. Zwischen der Route 202 und dem Buick lagen höchstens zwanzig Meter. Der Schritt des Mannes wirkte zögerlich. Vielleicht hatte die schwarze Limousine schon sein Misstrauen geweckt. Seine linke Hand wanderte in die Tasche der Jacke.
    »Er könnte eine Pistole haben!«, stieß Zvi hervor. »Soll ich Zvika warnen?«
    »Ja«, antwortete der unsichtbare Operationschef. »Sag es ihm. Er soll auf die Hand aufpassen.«
    Zvi lehnte sich aus dem Fenster und raunte: »Er hat eine Hand in der Tasche. Pass auf eine Waffe auf.«
    Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann aus dem Bus die Calle Garibaldi erreicht und kam nun direkt auf das liegen gebliebene Fahrzeug zu. Als er nur noch ungefähr fünf Meter entfernt war, jagte das Bild eines Leichenzuges an Zvis innerem Auge vorbei. Er drehte den Zündschlüssel. Jetzt zahlte sich die Generalüberholung aus. Der Motor sprang ohne Mucken an.
    Inzwischen befand sich die Zielperson auf Höhe der Fahrertür. Und damit in Zvikas Reichweite. Der Hüne richtete sich vom Kotflügel auf, drehte sich geschmeidig um und stand dem Mann plötzlich mitten im Weg.
    Nun war Zvikas große Stunde gekommen. Er schürzte die Lippen, lächelte und sagte: »Momentito.«
    Der Mann blieb wie angewurzelt stehen.
    Hierauf kam Leben in das Muskelpaket Zvi Malachin. Blitzschnell überwand er die kurze Distanz zur Zielperson. Eigentlich hätte Zvika den Mann am Genick packen sollen, aber die ursprünglichen Anweisungen waren kurzfristig geändert worden. Der Angegriffene wich erschrocken zurück. Zvika setzte nach, holte ihn ein und versuchte durch eine Art Zangengriff die Arme des Mannes an den Körper zu fesseln, damit er nicht mehr zur Waffe greifen konnte. Bei dieser Aktion geriet das Paar gefährlich ins Taumeln. Der Mann schrie und heulte wie ein verletztes Tier. Beide verloren das Gleichgewicht und landeten im Graben, gefolgt von Zeev, der sich etwas zu spät vom Kühler losgerissen hatte.
    Zvi Aharoni war entsetzt. Ohnmächtig musste er mit ansehen, wie sich am Boden drei erwachsene Männer tummelten und dabei ein Riesenspektakel veranstalteten. Unauffälligkeit gehörte zu den Leitprinzipien nicht nur des israelischen Geheimdienstes. Zvi drückte aufs Gaspedal und ließ den Motor des Wagens aufjaulen. Das Geheul der Zielperson ließ sich dadurch nicht übertönen. Zeev schnappte immer wieder nach den heftig strampelnden Beinen und Zvika verausgabte sich beim Festhalten des unkooperativen Entführungsopfers. Eine Ewigkeit schien zu vergehen.
    Weil Zvi auf keinen Fall das Lenkrad loslassen durfte, kam er auf die blendende Idee, den Tätigkeitsbereich seines Einsatzleiters zu vergrößern. Es gab wahrlich keinen Grund für Rafi mehr, weiter den Unsichtbaren zu spielen. »Geh und hilf den beiden!«, rief er über die Schulter nach hinten.
    Rafi Eitan öffnete die Wagentür und stürzte ins Freie. Zu dritt erlangte man endlich die Oberhand über das zappelnde, brüllende, sich windende Zielobjekt. Es wurde in Richtung Wagentür geschleift, hineingestoßen und vom Zugreifkommando am Boden festgekeilt. Rafi rannte zur Motorhaube, schlug sie zu und saß schon im nächsten Augenblick auf dem Beifahrersitz. Dann deutete er, wie ein General vor dem Angriff, durch die Windschutzscheibe. Niemand sagte ein Wort, Um der Zielperson keine verräterischen Anhaltspunkte zu liefern, würden sie sich von nun an nur noch per Handzeichen verständigen.
    Zvi lenkte den Buick nach links, umrundete den Eichmann-Bunker und fuhr dann nach rechts auf die Avellaneda nach Süden davon, Wagen zwei – der Chevrolet mit David und der übrigen Einsatzgruppe – hängte sich hinter das Entführerfahrzeug. Obwohl der Tira, der zum »Palast« erhobene Zufluchtsort, im Nordwesten von Buenos Aires lag, schlug man

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