Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
wurden, taute der misstrauische Staatsdiener langsam auf.
David hatte zuvor immer wieder einzelne Bemerkungen über eine Verschwörergruppe fallen lassen, deren Spezialität Attentate seien, ja, sich in seiner Zwangslage sogar zu Vorhersagen künftiger Mordanschläge hinreißen lassen:
Es könne sogar King treffen. Die von dem schwarzen Prediger getragene Bürgerrechtsbewegung stand dem auf Selbstvernichtung programmierten Kurs Belials diametral entgegen. Seine Vorahnung im Falle Bob Kennedys speiste sich eher aus seiner Erfahrung, wurde aber von der Wirklichkeit ebenfalls auf tragische Weise bestätigt.
»Suchen Sie in Hollywood«, sagte Hoover, als ihn David am Rande der Beisetzungsfeierlichkeiten für Robert Kennedy traf.
»Reden Sie von dem Stadtteil in Los Angeles im Allgemeinen oder von der Filmbranche im Besonderen?«
»Ich habe Luciano Varuna schon vor langer Zeit aus den Augen verloren. Als Bob niedergeschossen wurde, kamen mir Ihre merkwürdigen Vorhersagen in den Sinn und ich ließ ein paar Nachforschungen anstellen. Offenbar hat sich der gute Luciano dünn gemacht. Er ist nirgendwo zu finden. Ich kann Ihnen nur so viel sagen, Mr Pratt: Varuna hat eine Schwäche für Massenmedien.«
Das glaubte David unbenommen, hatte dieses Phantom doch Ende der zwanziger Jahre schon versucht die wichtigsten Zeitungshäuser der Vereinigten Staaten unter seine Kontrolle zu bekommen. David bedankte sich bei Hoover für den Tipp und hielt sich von Stund an häufiger in Kalifornien auf.
Natürlich glaubte er nicht daran, dass ihm bei der Befragung einiger Filmstars, Regisseure oder Produzenten Varunas Adresse auf einem silbernen Tablett serviert würde. Und wirklich, einen Mann dieses Namens schien niemand zu kennen. Spätestens nach der Bewältigung der Kubakrise musste Lord Belial seiner geschrumpften Anhängerschaft gehörig den Kopf gewaschen haben. Wie anders war zu erklären, dass die wachsende »Bruderschaft«, die unter dem Deckmantel einer Nachrichtenagentur für David arbeitete, nun schon jahrelang keine entscheidende Spur mehr gefunden hatte? Lorenzos Zeichnungen der unter San Clemente erblickten Gesichter wurden wie die Phantombilder gesuchter Schwerverbrecher rund um den Globus verteilt. Doch niemand schien auch nur einen der sieben noch lebenden Logenbrüder Belials je gesehen zu haben, abgesehen von dem Doppelgänger, den viele für David hielten. Mit verkleinerten Kopien der Porträts tingelte David von Studio zu Studio, von Büro zu Büro, von Villa zu Villa…
Welche Taktik verfolgte Varuna? Wenn ein Logenbruder Belials seinen zersetzenden Einfluss in der Filmbranche geltend machen wollte, welche Strategie versprach dann den größten Erfolg? Vielleicht die Verbreitung von Splattermovies? Diese »Blutspritzfilme« erfreuten sich immer größerer Beliebtheit. David musste an die Tausende junger Amerikaner denken, die in Vietnam ihr Leben verloren hatten, nachdem durch John F. Kennedy 1962 die ersten US-Truppen dorthin verlegt worden waren. Und an die Heimkehrer. Viele hatten unbeschreibliche Gräueltaten erlebt oder sogar selbst verübt. Die Verantwortlichen für die großen Leinwandproduktionen schienen die schrecklichen Erfahrungen dieser jungen Veteranen mit immer neuen Spannungseffekten noch übertrumpfen zu wollen und brüteten geschmacklose Abartigkeiten aus.
Während David die Studios abklapperte, gab es weltweit Proteste für den Frieden, aber auch gegen die Spießigkeit des Bürgertums. Letzterem lastete die Nachkriegsgeneration bald alle Übel dieser Welt an. Das Jahr 1968 wurde so zu einem Sinnbild für die Befreiung in politischer, sozialer, aber auch sexueller Hinsicht. David war sich nicht sicher, wie er diese Bewegung, die sich nicht selten auch militanter Mittel bediente, einschätzen sollte.
Bisweilen ängstigte ihn das Tempo, mit dem alte Tabus gebrochen wurden.
Der von Hollywood wiederentdeckte Okkultismus war ihm noch weniger geheuer. In seinem Film Rosemary’s Baby erhob ihn der polnische Regisseur Roman Polanski gar zur Kunstform. Mia Farrow spielte darin eine vom Teufel geschwängerte Frau. Seit jeher hegte David ein Misstrauen gegen alles Spiritistische und Dämonische. War in solchen Streifen etwa der Einfluss jenes Unbekannten zu spüren, den in Hollywood niemand zu kennen behauptete?
Luciano Varuna – der Name sagte auch Polanski nichts, als David ihn am ersten Samstag im August 1969 in dessen Villa in Los Angeles danach fragte. Sie waren im Gespräch über Neil
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