Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Armstrongs epochalen, gerade zweieinhalb Wochen zurückliegenden Mondspaziergang miteinander warm geworden und schlürften dabei eisgekühlte Drinks. Schon wollte sich Enttäuschung aufseiten des Besuchers einstellen, aber dann wurden auf dem Gartentisch die sieben Kopien der von Lorenzo angefertigten Porträts ausgebreitet und der kleinwüchsige Regisseur mit den enormen Koteletten sprang unvermittelt auf wie ein Schachtelteufel.
»Den kenne ich«, stieß er hervor. Dabei tippte er auf einen Mann mit schmalem Gesicht, Raubvogelnase und stechendem Blick. »Er hat mir das Drehbuch zu Rosemary s Baby verschafft und die Produktion mit einem stattlichen Sümmchen gefördert.«
»Und Sie sind sicher, dass dieser Mann«, David deutete auf das Bild, »nicht Luciano Varuna ist?«
»Also, mir hat er sich als Hank Manson vorgestellt. Ein ziemlich ausgeflippter Typ. Sein Bruder ist noch einen Zahn schärfer. Wenn die beiden von Zwischenwelten und Geistermedien erzählen, dann bekomme selbst ich eine Gänsehaut. Für die Rosemary war’s allerdings unheimlich inspirierend. Meine Frau Sharon ist ganz vernarrt in diesen Charles. Wenn sie so weitermacht, werde ich noch eifersüchtig…«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Mr Polanski…«
»Sagen Sie doch Roman zu mir, David.«
»Ja, danke, Roman. Also dieser Charles…«
»Er ist Hank Mansons Bruder…«
»Gewiss doch. Haben die beiden irgendwelche Ähnlichkeit miteinander?«
Polanski stutzte. »Nicht im Geringsten. Wieso?«
»Sie sprachen von Geschwistern.«
»Ah, natürlich! Vielleicht haben Sie unterschiedliche Väter.«
»Können Sie mir sagen, wo ich diesen Hank finde?«
»Keine Ahnung. Er hat sich nach Abschluss der Produktion nicht mehr bei mir blicken lassen. Charles ist da schon erheblich leichter zu finden. Er kreuzt des Öfteren hier auf, meistens unangemeldet.«
»Könnten Sie ihn für mich fragen, wo ich Hank erreichen kann, Roman? Mir liegt sehr viel daran.«
»Werden Sie über mein Macbeth-Projekt schreiben?«
»Ihr Mammutwerk über das gleichnamige Stück von Shakespeare? Ich denke, es befindet sich erst in der Planung. Aber wenn Sie wollen, mache ich den Lesern schon einmal den Mund wässrig.«
»Ein guter Handel. Rufen Sie mich in einer Woche wieder an. Bis dahin werde ich vermutlich Hanks Adresse in Erfahrung gebracht haben.«
Als David genau eine Woche später die Nummer Roman Polanskis wählte, meldete sich eine schrille fremde Stimme. Der Wahnsinn persönlich hätte nicht schauderhafter klingen können. »Wer spricht da?«, fragte David, während er auf seine zitternde Hand blickte. Selten hatte er eine derartige Beklemmung empfunden.
»Der Satan«, zischte der Fremde. David hörte noch ein diabolisches Kichern, dann klickte es in der Leitung. Einen Moment lang war er völlig erstarrt, seine Nackenhaare stellten sich auf, der Hörer rutschte ihm aus der Hand und polterte zu Boden.
Zwei Minuten später saß er in einem Mietwagen und raste nach Beverly Hills. Er spürte, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste. Als er die Villa Polanskis erreichte, konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen. Er parkte den Wagen auf der Straße und verschaffte sich durch eine unverschlossene Seitenpforte Zutritt zum Garten. Auch die Hintertür des Hauses war offen. Als David das Gebäude durchsuchte, stieß er auf einen grauenhaften Fund. Alles sah aus wie in einem Splattermovie. Das Blut von fünf Leichen, auf bestialische Weise abgeschlachtet, tropfte von Wänden und Decke. Auch Sharon Tate, die schwangere Frau Polanskis, befand sich unter den Opfern.
David drehte sich der Magen um. Rosemary hat ihr Baby dem Teufel geben müssen und Sharon… ? Benommen taumelte er aus dem Haus. In seinem Leben hatte er schon viele Gräueltaten gesehen, aber dies übertraf selbst die schlimmsten Schreckensvisionen des Hieronymus Bosch.
Nach dem Mord war Roman Polanski nicht mehr derselbe. Sogar Davids Überredungskunst scheiterte an dem Regisseur. Man hätte glauben können, ein Mäzen namens Hank Manson habe niemals seinen Lebensweg gekreuzt. Kurze Zeit später griff die Polizei Charles Manson auf, den Führer einer Hippiekommune, der sich selbst »Satan« nannte. In seinem Gefolge befanden sich auch drei Mädchen, die ihm hörig zu sein schienen und bald der Mittäterschaft für schuldig befunden wurden. Bevor Charles Manson am 19. April 1971 zu einem Ende in der Gaskammer verurteilt und unmittelbar darauf in die Todeszelle von St. Quentin gebracht
Weitere Kostenlose Bücher