Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
winzigen Augen an.
»Was ist denn los, Dean?«
»Die Russen haben mir eben ihre Einwilligung zugesandt, alle Raketen aus Kuba abzuziehen. Das ist die Wende zum Guten, David! Ich muss dringend mit dem Justizminister telefonieren und sofort den Präsidenten informieren.«
»Soweit ich weiß, besucht Bob mit seinen Töchtern eine Springkonkurrenz im Zeughausareal.«
»Er schaut sich hüpfende Pferde an, während die Menschheit am Abgrund steht?«
»Sie sagten doch gerade, die Krise sei so gut wie gemeistert.«
»Vergessen Sie es.« Rusk schüttelte verständnislos den Kopf und stob davon.
Erst jetzt atmete David erleichtert auf. Das Hypnotisieren des Fernschreibers hatte sich also gelohnt. Er konnte sich gut vorstellen, dass Chruschtschow in Panik ausgebrochen war, weil seine beiden Briefe scheinbar unbeantwortet blieben und alles auf eine amerikanische Invasion in Kuba hindeutete. Natürlich gab er sich nicht der Illusion hin, damit alle Probleme gelöst zu haben, aber man würde der Weltöffentlichkeit das Einlenken der Sowjets als großen diplomatischen Erfolg verkaufen und Entwarnung blasen. Hinter den Kulissen würde es dann noch einige Zeit dauern, bis sich die Russen mit der mangelnden Kompromissbereitschaft Kennedys abgefunden hatten.
Am Abend rief John F. Kennedy seinen Geheimberater Pratt ins Oval Office. Als David eintrat, grinste der Präsident wie ein Schuljunge, der gerade einen prächtigen Streich ausgeheckt hatte.
»Sind Sie zufrieden, David?«
»So zufrieden wie ein frisch aus dem Wasser gezogener Schiffbrüchiger.«
»Mehr kann man wohl nicht erwarten. Ich habe Sie zu mir gebeten, weil mir Dwight eben am Telefon etwas mitgeteilt hat, das für Sie von Interesse sein dürfte.«
»Eisenhower? Geht es um Zapata?«
Der Präsident nickte, immer noch grinsend. »Offensichtlich hegen mein Vorgänger und unser hochverehrter FBI-Boss dieselbe Leidenschaft für geheime Ratgeber wie ich.«
»Was hat J. Edgar Hoover mit einer CIA-Operation zu tun?«
»Was hat der amerikanische Justizminister mit der Kubakrise zu tun?«
»Ich verstehe. Offenbar gibt es da informelle Beziehungen, die stärker sind als offizielle Hierarchien. Hat der unbekannte Vertraute der alten Führungsriege auch einen Namen?«
»Dwight sagte mir, er heiße Luciano Varuna.«
David spürte einen Stromschlag durch seinen Körper fahren. Kelippoth hieß mit Vornamen Lucius! Konnte das ein Zufall sein? Mit mühsam beherrschter Stimme fragte er: »Varuna? Ist das Italienisch?«
Kennedy zuckte die Achseln. »Was weiß ich. Könnte sein. Im Grunde genommen ist der Mann von Hoover eingeführt worden. Angeblich haben sie sich Ende der zwanziger Jahre bei der Aktion gegen den Ku-Klux-Klan kennen gelernt.«
»Dann müsste Hoover doch über ihn Bescheid wissen.«
»Schon möglich, aber der FBI-Direktor hält sich bedeckt.«
»Könnten Sie ihm nicht befehlen, uns mehr über diesen Varuna zu erzählen?«
»Hoover zwingen?« Kennedy lachte kurz und freudlos auf. »Der Mann regiert das FBI seit 1924 wie Castro seine Ruminsel: unerbittlich und rücksichtslos. Er hat einen Safe voller Tonbandaufzeichnungen und Dokumente. Er kann jeden von Rang und Namen erpressen, und das nicht nur in diesem Land.«
»Jeden?«
Kennedy lächelte gequält. »Auch in meiner Vergangenheit gibt es ein paar dunkle Punkte, die ich ungern im Licht der Öffentlichkeit sähe.«
»Verstehe. Trotzdem vielen Dank für Ihre Mühe, Jack.«
»Ich habe allen Grund, Ihnen zu danken, David. Diese Information ist nur eine kleine Gegenleistung. Werden Sie unser Team jetzt verlassen oder wollen Sie bis zum bitteren Ende bleiben?«
David überlegte nur kurz. »Ich denke, New York ist nicht allzu weit von Washington entfernt. Sollte es noch irgendwelche größeren Schwierigkeiten in der Raketenkrise geben, dann kann ich in wenigen Stunden wieder zu Ihnen stoßen.«
»Sie werden auf dem Laufenden gehalten, David. Das verspreche ich Ihnen. Übrigens habe ich einiges in die Wege geleitet, um Ihre diversen Heldentaten dauerhaft unter das Siegel strengster Geheimhaltung zu stellen. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne.«
David lächelte befreit. »Und ob! Ich habe noch ein paar wichtige Dinge vor. Da wäre eine zu meinen Ehren abgehaltene Konfettiparade auf dem Broadway nur hinderlich.«
Die Schlinge des Varuna
Die Nachricht traf David wie ein Keulenschlag. Zum Glück war er nicht völlig unvorbereitet. Schon am Morgen nach seiner Rückkehr in die Gelbe Festung
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