Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Überschallpassagierflugzeug Concorde den Atlantik mit Mach zwei überqueren können – das mochte nützlich sein. Apollo 13 wäre im April 1970 fast nicht von seinem Mondflug zurückgekehrt – tragisch, aber nicht von Belang. Richard Nixon verschuldete 1972 die Watergate-Affäre, und die kostete ihn, obwohl er im Jahr darauf das militärische Engagement in Vietnam beendete, Amt und Würden – so etwas musste man im Auge behalten. Das Jahr 1978 brachte das erste Retortenbaby und den beachtlichen Friedensvertrag von Camp David zwischen Israel und Ägypten.
Nachhaltig geriet David ins Grübeln, als sich im darauf folgenden Jahr der schwere Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg ereignete. Früher hatte er eine der Hauptgefahren für den Fortbestand der Menschheit im Einsatz von Nuklearwaffen gesehen, aber nun wurde immer offensichtlicher, dass auch scheinbar friedliche Technologien verheerende Wirkung erzielen konnten. Wenn die Welt zu einem Dorf zusammenschmolz, verdichteten sich auch ihre Probleme.
Bereits vor einem Dutzend Jahren hatte David während einer Europareise in Paris mit einem seiner »Brüder« über die damit zusammenhängenden Gefahren diskutiert. Sein Gesprächspartner, ein italienischer Industrieller namens Aurelio Peccei, teilte nicht nur das Geburtsjahr, sondern auch zahlreiche Ansichten mit David. Die Lage der Menschheit beurteilte der bei Fiat zu Rang und Namen gekommene Topmanager schon damals sehr kritisch.
»Weißt du, Alexander«, hatte Peccei leidenschaftlich gesagt (David bereiste Europa damals unter dem Pseudonym Dr. Alexander King), »wenn man sich an Bord eines sinkenden Ozeanriesen befindet, muss Solidarität zwischen der Mannschaft und den Passagieren herrschen, sonst könnte eine Meuterei ausbrechen und alles zerstört werden.«
»Warum sollte man meutern, wenn es doch darum geht, so viele Leben wie möglich zu retten?«
»Ganz einfach. Weil die Offiziere die Augen vor der Realität verschließen, den Schaden also leugnen oder als unbedenklich einstufen. Genau das ist die Situation in unserer heutigen Welt.«
»Dann sollten wir herauszufinden versuchen, wo unser Schiff leckgeschlagen ist und es wieder seetüchtig machen.«
Peccei hob die Augenbrauen. »An was denkst du, Alex?«
»Du hast doch Verbindung zu vielen Wissenschaftlern, Industriellen und sonstigen Personen von Einfluss. Was hältst du davon, eine Vereinigung ins Leben zu rufen, die ihre geballte Kompetenz dafür einsetzt, den derzeitigen Zustand unserer Erde zu analysieren? Wenn wir genau wissen, woran der Patient krankt, können wir ihm vielleicht helfen.«
»Ein Club der schlausten Köpfe der Welt, der frei von Profitstreben zum Wohle der Menschheit arbeitet?« Peccei grinste. »Diese Aufgabe könnte mir gefallen.«
»Dann machen wir doch Nägel mit Köpfen, Aurelio. Ich selbst kenne ebenfalls viele selbstlose Männer und Frauen, die dir sicher gerne helfen würden. Fahr nach Hause, gründe deinen Club und halte mich auf dem Laufenden.«
Aurelio Peccei nickte. Seine Augen leuchteten vor Tatendrang. »Ich weiß auch schon, wie wir ihn nennen werden: den Club of Rome.«
In den folgenden Jahren veröffentlichte der Club of Rome manchen Bericht, der die »Grenzen des Wachstums« im globalen Dorf aufzeigte. Natürlich gab es Schönfärber, die Aurelio Peccei wie auch die um ihn gescharten Intellektuellen der Schwarzseherei bezichtigten und sie dafür am liebsten auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätten. Weil David aber Ignorantentum seit jeher ablehnte, unterstützte er den Club nach Kräften. Auf Reisen durch Italien, Deutschland, Frankreich, England und andere europäische Länder gewann er nicht wenige Akademiker für die Mitarbeit in Pecceis Gruppe – und auch in seinem eigenen »Club«. Die Ideen und freimütig geäußerten Sorgen dieser Menschen sollten sich für David im Laufe der Jahre noch als eine Quelle der Inspiration erweisen, wenn auch anders als erwartet. Den handfesten Beweis für die Strategie Belials, bis zum Ende des Jahrhunderts eine globale Katastrophe auszulösen, konnte auch Pecceis internationale Denkerriege nicht erbringen. Und so musste David sein weiteres Vorgehen erneut überdenken. Seit der Kubakrise waren sechzehn Jahre vergangen, aber er so gut wie überhaupt nicht vorangekommen.
Im Oktober 1978 erregte ein in globaler Hinsicht eher unbedeutendes Ereignis seine Aufmerksamkeit. Im Dschungel von Guayana hatten über neunhundert Mitglieder der amerikanischen Sekte
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