Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Rachepläne gegen ihren Vater zu schmieden, sei ihr dieses Gebiet vertraut gewesen, versicherte sie selbstbewusst. Ihr Wissen stamme von der Zofe Swetlana und anderen ehemaligen Bediensteten Golizyns. Später sei sie in einem Archiv in Kiew sogar auf alte Pläne der Salzfeste und der Insel gestoßen. Mehrere Erkundungsfahrten in die Umgebung ihres Geburtshauses hätten ihr dann »die letzten Steine für das mühevoll zusammengesetzte Mosaik geliefert«. Bei dieser Bemerkung tippte sich Kim an die Stirn und fügte mit versteinerter Miene hinzu: »Jetzt ist dort oben jeder Fußbreit unseres Operationsgebietes gespeichert.«
    Ihre Entschlossenheit ließ David schaudern. Kim hatte Erstaunliches geleistet, aber es war die Hoffnung auf Rache, der sie ihre Energie verdankte.
    Die Inseln bildeten einen verwirrenden Flickenteppich. Weil Igor keine Seekarten des seichten Gewässers besaß, kamen sie nur langsam voran. Während David regelmäßig die Tiefe lotete, steuerte der Russe das Boot auf Schleichfahrt durch die Sumpflandschaft.
    »Das da vorn muss die Insel sein«, flüsterte Kim. Igor lenkte die Nina in die Deckung einer kleinen Nachbarinsel, warf Anker und schaltete die Maschinen ab. David kam vom Bug her ins Ruderhaus.
    »Sind wir da?« Auch er sprach nun leise, obwohl sie unmöglich von Golizyns Insel aus gehört werden konnten.
    Kim ließ ihren Kopf abwechselnd nach links und rechts kippen, was hier zu Lande Ja bedeutete – ein Zugeständnis an Igors eingeschränktes Begriffsvermögen. »Wladimirs Festung befindet sich auf der anderen Seite der Insel. Sie ist knapp zwei Kilometer lang und bis zu einem breit.« Sie richtete eine kurze Frage in Russisch an den Skipper, Igor antwortete und Kim übersetzte: »Wir werden mit dem Beiboot am Südufer der Insel anlegen, wo es keine Kameraüberwachung gibt, und dann zur Festung marschieren.«
    David blickte auf seine Armbanduhr. »Ich schlage vor, wir ruhen uns ein paar Stunden aus und machen uns gegen drei Uhr auf den Weg. In den dunklen Morgenstunden sind die Posten am wenigsten aufmerksam.«
    Laut Plan sollte Igor beim Schiff bleiben und alles für eine schnelle Flucht vorbereiten. Ali würde vor Golizyns Festung warten. Über Walkie-Talkies wollten sie miteinander Verbindung halten. David vertraute ganz auf seine Gaben. Mit Kims Ortskenntnissen würde er den Salzmann schon finden und ihn allein aus dem Haus schaffen. Er konnte Golizyn mit Blindheit schlagen, ihn verstummen lassen, seine Arme lähmen, ohne die Funktionstüchtigkeit seiner Beine zu beeinträchtigen. Kurz: Der Salzmann besaß für ihn keinen Schrecken.
    Zur vorherbestimmten Zeit verabschiedeten sich David, Kim und Ali von ihrem Skipper und ruderten zur Nachbarinsel hinüber. In der Nacht war es empfindlich kühl geworden. Auf dem Wasser waberten feine Dunstschleier. Die Ruderblätter glitten fast lautlos durchs Wasser.
    Nachdem das Beiboot mit vereinten Kräften an den Strand gezogen worden war, übernahm Kim die Führung. Die ganze Insel steckte unter einem dichten Pflanzenteppich. Uralte Bäume ragten über den Eindringlingen auf wie stille Komplizen, die sich nur ab und zu etwas zuraunten, wenn der Wind durch ihre Kronen fuhr. Manchmal war auch der Schrei eines Vogels zu hören.
    Anfangs benutzten sie noch Taschenlampen, aber nachdem Ali auf einer Lichtung in der Nähe des Palastes zurückgeblieben war, verzichtete Kim sogar auf diese Orientierungshilfe. David konnte kaum glauben, dass sie nach ihrer Geburt nur wenige Stunden auf dieser Insel zugebracht und sich alle Ortskenntnisse erst später aus den Berichten der Hausangestellten und anderthalb Jahrhunderte alten Plänen angeeignet hatte.
    Bald sah er einen Schimmer durch die dichte Vegetation der Insel dringen.
    »Jetzt wird es ernst«, flüsterte Kim. »Gleich müssten wir den geheimen Zugang erreichen, von dem ich dir erzählt habe.«
    Nach vielleicht einhundert Schritten stießen sie auf eine moosbedeckte Mauer. Zielstrebig wandte sich Kim nach Osten und untersuchte die nahe stehenden Bäume.
    »Der da müsste es sein.« Sie deutete auf einen hölzernen Riesen, in den vor langer Zeit der Blitz eingeschlagen hatte. Auf einigen der kahlen Äste sprossten junge Triebe. Ein langes Loch klaffte in dem gewaltigen Stamm wie ein riesiger, halb geöffneter Mund. Auch von den Wurzeln her bahnte sich neues Grün seinen Weg zum Licht.
    Kim drückte das Blattwerk zur Seite und stieß einen triumphierenden Laut aus. »Da müssen wir rein.«
    »In den

Weitere Kostenlose Bücher