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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vom Ministerpräsidenten.«
    »Die Zofe war schon sehr alt. Sie ist noch unter den Romanows groß geworden.«
    »Wie lange hat sie im Haus deines Vater gedient?«
    »Angeblich vierzig Jahre, aber damals müsste Wladimir ja noch ein Kind gewesen sein.«
    »Wenn es doch nur so wäre!«, murmelte David.
    »Könntet ihr beiden endlich mit eurer Tuschelei aufhören?«, beschwerte sich Ali auf Deutsch. »Man meint ja fast, ihr hättet etwas vor mir zu verbergen.«
    David brachte nur ein halbes Lächeln zustande. »Manchmal ist es sogar für dich besser, etwas nicht zu wissen, mein Freund. Sonst kommt der Salzmann und pökelt dich ein.«
     
     
    Von Batumi aus ging es mit dem Boot weiter. Alles war minutiös geplant, der Treibstofftank gefüllt, ausreichend Proviant gebunkert, ein unverschämter Preis ausgehandelt und der Skipper bei bester Laune. Sein Name lautete Igor Wartanowitsch. Er war eine ziemlich massive Persönlichkeit: zwar klein, aber bärenstark, so gut wie halslos, dafür jedoch mit wasserblauen Augen und einer dunklen Lockenpracht gesegnet. Sein Alter ließ sich schwer schätzen. Den glatten rosigen Wangen nach mochte er Anfang dreißig sein, aber die grauen Schläfen und die rot geäderte fleischige Nase sprachen eher für einen Endvierziger, der schon zwei Jahrzehnte zu lange dem Wodka zugesprochen hatte. Ansonsten machte er den Eindruck eines sehr zuverlässigen, wenn auch im Vergleich zu seinem Partner geistig weniger beweglichen Bootsführers. Ali und Igor kannten sich schon sehr lange.
    Die Fahrt auf der Nina bot David und Kim ausreichend Gelegenheit, sich von den Strapazen der bisherigen Reise zu erholen. Für die etwa fünfhundert Seemeilen bis zu Golizyns »Salzfeste« hatte Igor sechs Tage veranschlagt. Da es eher selten vorkam, dass Igor sich um die Betreuung illegal in die Sowjetunion gekommener »Touristen« kümmern musste, transportierte er für gewöhnlich Stückgut aller Art. Derzeit lagerte Trockenfisch im Laderaum, was zwar die Küstenpatrouille nicht störte, dafür aber die Nasen der Passagiere reizte – David konnte sich an den strengen Geruch nur langsam gewöhnen. Früher hatte Igors Zwölfmeterkutter dem Fischfang gedient. Die Segel an Groß- und Besanmast waren eher Zierde, angetrieben wurde das Schiff hauptsächlich von einem kraftvollen Dieselmotor. Wegen des geringen Tiefgangs eignete sich die Nina hervorragend für den Einsatz in der seichten Syvas. Für kniffligere Aufgaben gab es noch ein kleines Beiboot.
    Igor hielt sein Schiff auf nordwestlichem Kurs immer an der Küste, gerade weit genug vom Land entfernt, um mit bloßem Auge oder Fernglas nicht gesehen zu werden. Das sei eher eine gefühlsmäßige Sicherheitsmaßnahme, betonte er. Weil nicht alle Anrainer des Schwarzen Meeres zu den sowjetischen Bruderstaaten gehörten, gebe es eine fast lückenlose Radarüberwachung. Man könne sich also ohnehin kaum unsichtbar machen. Aber keine Sorge, betonte er, seine Frachtpapiere seien ebenso in Ordnung wie der Trockenfisch. Sie hätten nichts zu befürchten.
    Die erste Kontrolle kam nach drei Tagen. Zum Glück ging alles gut. Der Offizier des Patrouillenbootes tat seine Pflicht, aber auch nicht mehr. Ein dreiköpfiges Kommando inspizierte die Nina und er die Papiere. Von der bunten Besatzung nahm er kaum Notiz.
    Abgesehen von einer zweiten, ebenso oberflächlichen Inspektion gelangten sie unbehelligt in das Asowsche Meer. Dieses war von der Syvas durch eine sehr schmale, aber mehr als einhundert Kilometer lange Landzunge getrennt, weshalb Igor sein Boot zunächst weiter nach Norden lenken musste. Erst am äußersten Ende dieser natürlichen Barriere konnten sie durch eine schmale Meerenge bei Genicesk in die »Faulige See« einlaufen.
    Schon nach wenigen Seemeilen fühlte sich David in eine fremde Welt versetzt. Das Gniloye More war ein Labyrinth, das aus hunderten, vielleicht tausenden von Inseln bestand. Jetzt, Anfang September, hatte sich die größte Sommerhitze verabschiedet, aber noch immer waren die besonders seichten Stellen der Syvas mit mineralischen Salzen überzogen. Sie glitzerten weiß in der Sonne wie Schnee. Dennoch war die weite Wattlandschaft nicht ohne Leben. Selbst in dieser unwirtlichen Gegend gab es Pflanzen und Tiere, die den legendenumwobenen Salzmann nicht fürchteten.
    Am Montagabend – es war der 6, September – erreichte die Nina das Zielgebiet. Von nun an übernahm Kim die Rolle des Lotsen. Schon bevor sie das Kloster verlassen habe, um hinfort

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