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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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oder dir eine Kugel in den Rücken jagen.«
    »Aber du hoffst, dass es nicht gerade heute sein wird, habe ich Recht?«
    »Wie weit ist es noch?«
    »Ungefähr zwei Stunden bis zur Grenze. Zu Fuß. Hinter der nächsten Kurve werden wir unser Auto verstecken müssen.«
    »Welches Auto?«
    Ali lachte, drückte aufs Gaspedal und hielt geradewegs auf ein Dornendickicht zu, das vor einer Felswand wucherte.
    »Will er uns alle umbringen?«, schnappte Kim, die den deutschen Teil der Unterhaltung nicht verstanden hatte.
    Noch bevor David antworten konnte, erreichte der Lieferwagen den Busch. Erst jetzt drückte Ali auf die Bremsen und das Fahrzeug rutschte auf dem geröllübersäten Untergrund geradewegs durch das Dickicht. David und Kim wappneten sich für den Aufprall, aber alles, was sie vernahmen, war nur das hässliche Kratzen der Dornen auf dem verrosteten Blech. Im nächsten Augenblick war es dunkel um sie herum.
    »Endstation. Alles aussteigen«, verkündete der Türke fröhlich und riss die Fahrertür auf.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Kim auf Französisch.
    »Ist dieses Versteck nicht eine grandiose Idee?«, begeisterte sich Ali, der zwar nicht verstand, aber wohl ahnte, was Davids Begleiterin bewegte. Er schaltete eine Stablampe an und begann das Marschgepäck aus dem Laderaum zu zerren. »Die Höhle hat meiner Familie schon manch guten Dienst erwiesen. Hier wird niemand unseren Wagen finden. Greift euch die Rucksäcke und folgt mir.«
    David übersetzte die Anweisung für Kim. Dann mussten sie sich beeilen, um Alis leuchtenden Wegweiser nicht zu verlieren. Durch einen verborgenen Spalt gelangten sie wieder ins Freie, Ali marschierte voran. In der Mitte lief Kim. David spielte das Schlusslicht.
    Der Türke schien es darauf abgesehen zu haben, die zerbrechlich wirkende junge Frau außer Atem zu bringen, aber Kim zeigte sich von dem Fußmarsch durch das unwegsame Gelände völlig unbeeindruckt. Bei David war das ein wenig anders. Er hielt zwar durch, aber seine Glieder begannen nach einiger Zeit schwer zu werden. Anscheinend war man mit zweiundachtzig doch nicht mehr ganz so belastbar wie mit zweiundzwanzig.
    Die Grenze zur Sowjetunion wurde unterirdisch passiert. Ali führte sie durch ein Höhlensystem, in dem es tropfte und ein kühler Luftzug unheimliche Geräusche hervorrief.
    »Gehört das auch zum Erbe deiner Vorväter?«, fragte David, um eine kleine Atempause zu erzwingen. Inzwischen hielt er eine eigene Taschenlampe in der Hand und leuchtete zu den Tropfsteinen an der Höhlendecke empor.
    »Grandios, nicht wahr?«, erwiderte Ali. »Du atmest so schwer. Sollen wir eine Rast einlegen?«
    »Es geht schon.« Aber ich muss unbedingt mein Training wieder aufnehmen.
    Auf sowjetischer Seite liefen sie im Dunkeln weiter. Die Lampen zu benutzen wäre viel zu gefährlich gewesen. Ali wies auf Löcher und Felsbrocken auf dem Weg hin, unnötigerweise, denn Davids Sekundenprophetie warnte ihn zuverlässiger als jeder Führer. Kim kam erstaunlich gut mit seinen leise geflüsterten Hinweisen zurecht. Sich fest an seine Hand klammernd kletterte sie wie eine Gämse über Geröll, Felsen und Wurzelwerk.
    Gegen drei Uhr morgens erreichten sie ein weiteres Höhlenversteck, in dem sie landesübliche Kleidung und einen Moskwitsch 412 fanden. Der tarnfarbengrüne Personenwagen aus russischer Produktion musste schon einige Jahre auf der Kurbelwelle haben, machte aber alles in allem einen wesentlich rüstigeren Eindruck als Alis frisierte Rostlaube.
    »Kompliment«, lobte David seinen Freund. »Du und deine Verbindungsmänner hier habt ja alles bestens vorbereitet.«
    »Ja, nur das Mädchen…«
    »Ihr Name lautet Kim.«
    »Richtig. Es hat einige Schwierigkeiten gemacht, Kleider für das Mädchen aufzutreiben. Ich hoffe, sie fällt nicht allzu sehr in den Sachen auf.«
    Nach dem Umziehen sah Kim aus wie eine Bäuerin, die man zu lange der dörrenden Wirkung der Schwarzmeersonne ausgesetzt hatte. Die Kleider waren gut drei Nummern zu groß.
    Unter Einsatz ihres weiblichen Sachverstandes funktionierte sie das blaugrau geblümte Oberteil in eine Wickelbluse um. Den dunkelgrauen Rock in einen Wickelrock. Und auch das fröhlich blaue Kopftuch wurde zu einer Art Turban gewunden. David bekam schwarze Pumphosen, ein weites helles Hemd, eine graue Weste und eine runde Kappe verpasst. Ali weigerte sich, seine Garderobe zu wechseln. Mit ihr, so behauptete er, sei er überall passend gekleidet.
    Nachdem die Gruppe zwei Stunden geruht hatte,

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