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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hässlicher Kopf, der auf einem giraffenartigen Hals saß, welcher seinerseits aus einem schmalen schwarzen Talar ragte. Das hagere Gesicht zeichnete sich durch eine ungesunde gelbe Farbe aus, dazu kamen dünne, sich ständig in Bewegung befindliche Lippen, eine sichelförmig gebogene, extrem schmale Nase sowie nervöse, eng stehende Augen. Alexej Archipenko musterte die Gefangenen mit einer Mischung aus Abscheu und Grausamkeit.
    Sein Herr deutete mit der Hand zum Salon hin. »Bitte treten Sie doch ein und lassen Sie uns ein wenig plaudern.«
    David nahm Kims Arm und zog sie mit sich. Sie verstehe zwar ein paar Brocken Englisch, hatte sie ihm in Griechenland erzählt, aber für eine richtige Unterhaltung sei ihr Französisch hundertmal besser geeignet.
    Nach der Durchquerung des Empfangszimmers gelangte das Paar in Begleitung einer Eskorte von sechs oder acht Bewaffneten in den grün gehaltenen Salon. Linker Hand gab es einen marmorgefassten Kamin mit einem prasselnden Feuer, in der Mitte des Raumes tummelten sich einige vermutlich zweihundertjährige Polstermöbel auf einem grün-roten Perser und rechts blickte eine Reihe von Fenstern auf die Faulige See hinaus.
    Auf einen Wink Golizyns hin wurden die beiden Gäste in den hintersten Winkel des Zimmers dirigiert, wo sie auf einem runden Teppich Aufstellung nehmen mussten. Der Befehlshabende warnte sie in gebrochenem Englisch davor, auch nur eine Zehenspitze über den Rand dieses »Bannkreises« zu setzen. Der Hausherr selbst schritt einige Male nachdenklich im Raum auf und ab und blieb schließlich neben dem Kamin bei einer Wandleuchte stehen, die – genauso wie im Entree – einem Kerzenhalter nachempfunden war. Alexej Archipenko ließ sich auf eines der Sofas fallen.
    Davids Blick hing gespannt, doch keineswegs furchtvoll an dem Gesicht, das dem seinen so ähnlich war.
    »Vermutlich«, eröffnete der Hausherr unvermittelt das Gespräch, »ist Ihnen, während Sie draußen gelauscht haben, nicht entgangen, dass ich mich mit Reiseplänen trage. Offen gestanden muss ich schon sehr bald aufbrechen, weshalb ich mich Ihnen nicht in dem Maße widmen kann, wie ich es gerne täte.«
    »Heißt das, Sie werden seine Lordschaft nicht rufen?«
    »Der ehrenwerte Großmeister erhält seinen Ring auch so zurück. Auf ein oder zwei Tage kommt es nun wirklich nicht an…« Golizyn verstummte, machte ein ärgerliches Gesicht und fuhr fort: »Ich habe nicht glauben wollen, dass man seine Zunge Ihnen gegenüber im Zaum halten muss, und nun ist mir doch beinahe…« Er lächelte und gab seinem Leibpriester einen Wink.
    Wie von einer Sprungfeder emporgeschnellt schoss Archipenko in die Höhe und verließ den Raum. Golizyn schwieg. Er überbrückte die Zeit mit einem höhnischen Grinsen. Enorm, dachte David, wie unangenehm dieses Gesicht sein konnte. Bald schon kehrte der Priester zurück und überreichte seinem Herrn einen dünnen Packen gelbliches Pergament. David hielt den Atem an.
    »Das hier«, setzte Golizyn endlich die Konversation fort und stolzierte mit den Bogen wedelnd vor dem Kamin herum, »ist ein sehr interessanter Reisebericht eines gewissen Johannes Hesychastes, Ihnen vielleicht besser als Hesychast bekannt. Wie ich inzwischen erfahren habe, sind Sie sehr daran interessiert. Glücklicherweise hat mein treuer Freund Alexej die Handschrift vor Ihnen im Kloster Iviron gefunden. Sie können sie haben, Mr Camden. Ich schlage Ihnen einen Tausch vor.«
    David hob die Augenbrauen. »Was kann das schon für ein Handel sein?«
    »Geben Sie mir den Ring des Großmeisters und Sie erhalten die Wegbeschreibung zu dem Tal, das es Ihnen offenbar so angetan hat.«
    »Vergessen Sie es, Golizyn.«
    »Ich dachte mir schon, dass sie so reagieren würden.« Der Ukrainer seufzte. Sein Bedauern wirkte beinahe echt, hätte er nicht im nächsten Augenblick die eintausendvierhundert Jahre alte Handschrift in den Kamin geworfen.
    »Sie können doch nicht…!« Die bedrohlich gehobenen Kalaschnikows ließen David verstummen.
    Golizyn missdeutete den starren, auf den Kamin gerichteten Blick seines Gefangenen. Seine Stimme verriet, wie überlegen er sich fühlte, als er nun sagte: »Nun, das hat ja leider nicht geklappt. Aber vielleicht werden wir uns – in der Kürze der Zeit – ja doch noch handelseinig.«
    »Das bezweifle ich«, knurrte David, das Pergament im Kamin nicht aus den Augen lassend. Die Flammen wurden kleiner, was niemandem im Raum aufzufallen schien.
    »Ich schenke Ihnen Ihr Leben«,

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