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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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kann dir diese Liebe nicht geben.«
    Langsam, wie welke Rosenblätter sich von der Blüte lösen, gaben Kims Hände David frei. Sie trat einen halben Schritt zurück. Über ihre Wangen rollten dicke Tränen. Ihr Blick lag sehnsüchtig auf seinem gramvollen Gesicht. Sie nickte, fest davon überzeugt, dass niemals wieder in ihrem Leben eine Wahrheit sie so traurig stimmen würde.
     
     
    Vor Sonnenaufgang brachen sie in Richtung Süden auf. Ein mausgrauer 1970er Mercedes diente ihnen als fahrbarer Untersatz. Kim saß auf dem Beifahrersitz. Eine Straßenkarte lag auf ihrem Schoß. Die junge Frau war sehr schweigsam.
    In der vergangenen Nacht hatten beide kein Auge zugetan. Ein langes, offenes Gespräch hatte sie wach gehalten. David erzählte seine Lebensgeschichte. Als Kim sein wahres Alter erfuhr (»Unter günstigen Voraussetzungen könnte ich dein Urgroßvater sein.«), wollte sie es zunächst nicht glauben. David musste sie erst an seine seltsamen Fähigkeiten erinnern. Anschließend war es dann einfacher, ihr den Rest des Jahrhundertplans darzulegen. Als er hierauf erneut das Thema Trennung aufs Tapet brachte, sperrte sie sich wieder. Er müsse sie niederschlagen oder ans Bett fesseln, wenn er ohne sie nach Göreme fahren wolle, anders ginge es nicht. Schließlich erkannte er die Aussichtslosigkeit jedes weiteren Überredungsversuches. Mit einem unguten Gefühl in der Magengrube hatte er schließlich nachgegeben.
    Die Autofahrt von Trabzon nach Göreme war eine der mühsamsten, die David je unternommen hatte, und das, obwohl er sich regelmäßig mit Kim am Steuer abwechselte. Wann immer er sich nicht aktiv gegen andere Verkehrsteilnehmer durchsetzen musste – die Türken hatten ein recht eigenwilliges Verständnis der Straßenverkehrsordnung –, zerbrach er sich den Kopf über das bevorstehende Treffen des Geheimbundes. Noch nie hatte er sich seinem Ziel so nahe gewähnt.
    Spätabends suchten sich die verschwitzten und völlig erschöpften Reisenden eine unauffällige Unterkunft in Kayseri, der ehemaligen Hauptstadt des Königreiches Kappadokien. Von nun an befanden sie sich auf den Spuren Belials. Einst hatte sein Kreis der Dämmerung hier getagt, bevor er weiter nach Westen, ins Tal der Schlafenden Zauberer gezogen war. Gegen Mittag des kommenden Tages wollten sie Göreme erreichen.
    Am nächsten Morgen gab David einen dicken Umschlag mit den von Golizyn erbeuteten Dokumenten auf dem Postamt ab. Alle für die gegenwärtige Mission wichtigen Informationen befanden sich in Davids Kopf. In New York konnten die Unterlagen einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Kurz nach acht brachen die beiden auf. Das letzte Telefonat mit Lorenzo hatte Davids Laune nicht gerade gehoben. Nach dem Frühstück war die ernüchternde Nachricht gekommen: Keine neuen Erkenntnisse, der genaue Versammlungsort des Geheimbundes blieb weiter im Dunkeln.
    David fuhr langsam. Er wollte nicht zu früh am Zielort eintreffen, um einer vorzeitigen Begegnung mit seinen vermeintlichen Logenbrüdern aus dem Wege zu gehen. Nur, wenn er sie alle auf einmal zu packen bekam, konnte sein Plan aufgehen. Andererseits musste er etwas Zeit einkalkulieren, um einen ortskundigen Führer zu finden.
    Die deutsche Limousine nagelte zuverlässig über die von Lorenzo so schwärmerisch beschriebene Hochebene. Als die ersten Felskegel neben der Straße auftauchten, begann David seinen Freund zu verstehen. Nicht wenige der bizarren Tuffsteingebilde mussten einmal bewohnt gewesen sein. Noch immer konnte man die aus dem weichen Gestein gehauenen Eingänge und Fenster sehen. Aber nichts wirkte hier künstlich: Der Mensch hatte an diesem Flecken Erde in friedlicher Harmonie mit der Natur wahre Wunder geschaffen.
    Kurz nach ein Uhr mittags erreichten sie Göreme.
    Im Grunde genommen handelte es sich bei dem Ort um ein bewohntes Freilichtmuseum. Alles war hier auf den Tourismus ausgelegt. In den Felsen befanden sich Cafés, Restaurants oder andere Einrichtungen des Fremdenverkehrs. Auch die Feenkamine waren zu sehen. Einige erinnerten tatsächlich an zu groß geratene spitze Magierhüte, andere sahen mit ihrem »Käppchen« auf dem sich nach oben verjüngenden Stiel eher wie gigantische Gelbe Knollenblätterpilze aus.
    Während Kim vor einem der Felsencafes wartete, checkte David im Atatürk-Hotel ein, einem zweihundert Jahre alten ehemaligen Landgut, das teils in den Tuffstein getrieben und später durch Vorbauten noch vergrößert worden war. Er hoffte inständig zu

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