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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dieser frühen Tageszeit hier keinem von Davids Logenbrüdern zu begegnen. Zumindest in diesem Punkt lief alles glatt. Nachdem er die Garderobe Golizyns dekorativ im Zimmer verteilt und das Bettlaken zerwühlt hatte, kehrte er zu Kim zurück.
    »Das Zimmer deines Vaters sieht aus, als wenn er nur eben mal kurz hinausgegangen wäre«, berichtete David seiner Begleiterin und rief nach dem Ober. »Lass mich schnell mit Lorenzo telefonieren und dann können wir uns eine bescheidenere Unterkunft suchen.«
    Erneut wählte David eine Relaisstation – diesmal in Kapstadt – an, um sein Gespräch mit New York fangschaltungsfrei abzuwickeln. Lorenzo alias Marco hatte noch immer keine gute Botschaft.
    »Es tut mir Leid, mein Freund, aber ich bin mit meinem Latein am Ende. Wenn du im Geistertal nicht selbst den Schlupfwinkel unserer Freunde finden kannst, dann war alles umsonst.«
    »Kennst du das Gefühl, schon einmal an einem bestimmten Ort gewesen zu sein, Marco?«
    »Jetzt erzähl mir nicht aus früheren Leben. Ich halte nämlich nicht viel von Déjà-vu-Erlebnissen.«
    »Unsinn. Dieses Göreme hier und das Hotel Atatürk – ich könnte schwören, irgendwann einmal damit zu tun gehabt zu haben.«
    »Ehrlich gesagt ging es mir in den letzten Tagen hin und wieder auch so. Ich denke, unsere überspannten Nerven spielen uns einen Streich.«
    »Vielleicht hast du Recht«, sagte David entmutigt.
    »Gib nicht auf, mein Freund! Noch ist nichts verloren. Möglicherweise kannst du die Straße zum Geistertal überwachen. Unsere verschworene Gemeinschaft trifft sich garantiert in der Nacht, und da dürften nur wenige Autos zu den müden Magiern fahren. Wenn du dich an die Brüder dranhängst, könntest du sie vermutlich bis zum Ziel verfolgen.«
    »Ich lasse mir etwas einfallen«, brummte David kraftlos. Wenig später bezogen David und Kim zwei Zimmer in getrennten Gästehäusern. Das war weniger eine Konsequenz aus dem vorletzten Abend als vielmehr eine saisonbedingte Notwendigkeit: Sowohl die noblen Etablissements wie auch die unzumutbaren Absteigen waren praktisch ausgebucht. Einige unverschämt hohe Trinkgelder zeitigten dann aber doch Erfolg. Sie zogen sich in aller Eile um – Kim trug jetzt Jeans und ein rotes T-Shirt, David einen hellen Sommeranzug aus Golizyns Garderobe – und machten sich auf die Suche nach einem Fremdenführer.
    In Göreme war dies kein Beruf einer kleinen Minderheit, sondern traditionelle Berufung. Fast jeder fühlte sich ihr verpflichtet. Wenn man jemanden nach den Schönheiten der Umgegend fragte, hielt der Angesprochene die Hand auf und wurde nach Einlegen einer mehr oder weniger großen Anzahl von türkischen Lira mehr oder weniger gesprächig. David ließ sich bei der Auswahl viel Zeit, was Kim für übertriebene Vorsicht hielt, aber er wollte unbedingt den Richtigen finden.
    Dieses Prädikat verdiente sich dann Varenagh Chatschaturjan. Varenagh betonte wiederholt, dass er noch nicht fünfunddreißig sei, was darauf schließen ließ, dass sich sein Alter auf ungefähr vierunddreißig Jahre und elf Monate belief. Er sprach fließend Französisch, worauf David mit Rücksicht auf Kim Wert gelegt hatte. Von der Statur eher unscheinbar lagen die Stärken des schnauzbärtigen kleinen Mannes eindeutig im Stimmlichen. Jeder Muezzin hätte ihn für sein Minarett sofort unter Vertrag genommen, aber Varenagh war Armenier und damit Christ. Nach voraus erfolgter Entrichtung des großzügigen Fremdenführerlohns bot Varenagh Chatschaturjan seinen Auftraggebern spontan das vertrauliche Chatscha an, was die Kommunikation in den nächsten Stunden erheblich erleichterte, wenngleich Kim trotzdem hin und wieder ein peinliches Cha-Cha-Cha herausrutschte.
    »Was wollen Sie zuerst sehen?«, fragte Chatscha mit einer klangvollen Stimme, die so überhaupt nicht zu seiner schmächtigen Erscheinung passen wollte. Fast schien es, als wäre er nur die Sprechpuppe eines Operntenors.
    »Das Geistertal«, antwortete David wie aus der Pistole geschossen.
    »Das scheint es Ihnen ja angetan zu haben, M. Cournot.«
    »Ich träume davon.«
    »Na, hoffentlich keine Alpträume.« Chatscha trällerte ein konzertreifes Lachen, aber David blieb ernst.
    »Können wir gleich aufbrechen, Chatscha?«
    Kaum fünfzehn Minuten später parkte der grüne Mercedes des französischen Diplomaten und seiner Tochter (auf diese neue Rollenverteilung hatte David bestanden) bei den Ruinen von Zelve in einer Landschaft, die eigentlich zu phantastisch

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