Der Kreis der Sechs
Sie und Lily sich auseinandergelebt«, sagte Phoebe. »Haben Sie beide sich irgendwie verkracht?«
»Warum denken Sie das?«, fragte Blair.
»Weil das oft der Fall ist, wenn Leute aufhören, Freunde zu sein.«
Blair blieb stehen und wandte sich ihr zu, hielt ihren Blick fest. »Ich schätze, als berühmte Biografin wissen Sie alles darüber, wie die Leute ticken«, sagte sie selbstgefällig.
Phoebe lächelte sie an. »Manchmal ist es nur gesunder Menschenverstand«, sagte sie.
»Nun, um ganz ehrlich zu sein, stellte sich Lily als jemand heraus, der nicht vertrauenswürdig war. Ich entschied, dass es besser war, Abstand zu ihr zu wahren.«
»Was hat sie getan, das Sie verärgert hat?«
»Ich sollte das wahrscheinlich nicht sagen. Es wäre nicht nett – da sie tot ist und das alles.«
Sie hatten gerade das östliche Tor passiert, und Blair blieb auf dem Bürgersteig stehen. Sie würde natürlich sicherstellen, dass sie in die entgegengesetzte Richtung von Phoebe ging.
Phoebe beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Lily wollte nicht den Sechsen beitreten, oder?«, fragte sie. »Ist es das, was Sie verärgert hat?«
Das Mädchen hatte sichtlich nicht erwartet, dass Phoebe das Thema anschneiden würde, und blickte, weil sie überrascht worden war, zur Seite. Phoebe konnte erkennen, dass Blairs Gedanken sich in dem Versuch überschlugen, herauszufinden, wie sie damit umgehen sollte. Das Mädchen sah Phoebe wieder an.
»Die Sechsen?«, fragte sie verschlagen. »Ich kann Ihnen nicht folgen.« Ihr Tonfall deutete an, dass sie Lust auf ein kleines Spiel hatte.
»Das ist eine Geheimgesellschaft von Mädchen hier«, sagte Phoebe. »Obwohl es kaum noch ein großes Geheimnis ist. Ich hätte gedacht, dass Sie von ihnen gehört hätten.«
»Oh, natürlich«, sagte Blair und berührte kurz mit ihrer Zungenspitze ihre kissenartige Oberlippe. »Es gab ein paar Gerüchte über sie.«
»Und was genau haben Sie gehört?«, fragte Phoebe.
»Nichts wirklich Genaues«, sagte Blair und starrte Phoebe direkt an. »Nur, dass sie sehr, sehr mächtig sind.«
Phoebes Herz machte einen Sprung. Die letzte Bemerkung war nicht nur Teil des Spieles gewesen. Es war natürlich eine Drohung. Man will mich abschrecken, dachte Phoebe ängstlich, genauso, wie man es vor Jahren getan hatte.
»Ist da noch irgendetwas anderes?«, fragte Blair. »Ich muss wirklich gehen.«
»Nein«, sagte Phoebe. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
Phoebe bog in die Bridge Street ein und hörte hinter sich Blair zügig in die entgegengesetzte Richtung gehen, ihre Stiefel klapperten laut auf dem Gehweg.
Sobald sie im Berta’s war, bestellte Phoebe ein Glas Wein. Sie hatte sich eine ruhige Stunde für sich vorgestellt, eine Möglichkeit, sich zu entspannen, aber sie fühlte sich total nervös. Phoebe zweifelte jetzt nicht mehr daran, dass die Sechsen existierten, und dass Blair mittendrin steckte. Das Mädchen hatte etwas wahrlich Beunruhigendes an sich.
Als Phoebe dann endlich zurück zum Campus ging, war sie später dran, als sie geplant hatte. Als sie den Platz erreichte, sah sie, dass bereits eine riesige Menge an Studenten und Fakultätsangehörigen herumlief. Viele der Studenten trugen Kerzen, schützten die wild flackernden Flammen mit ihren Händen. Phoebes Augen suchten die Menge ab. Weit abseits zu ihrer Linken entdeckte sie Pete Tobias, der mit einem Haufen Studenten redete und ihnen offensichtlich Informationen abschwatzte, wie ein Trickbetrüger. Sie steuerte die gegenüberliegende Seite des Platzes an, mit dem Ziel, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.
Eher am Rand der Menge war ein langer, rechteckiger Tisch aufgestellt worden, um Kaffee zu verkaufen, und Phoebe kaufte einen Becher. Direkt vor sich entdeckte sie Craig Ball, der sich durch die Menge schlängelte. Ihr wurde klar, dass er sich nie bei ihr gemeldet hatte.
Ein paar Minuten später eröffnete Tom Stockton den Gottesdienst und kündigte Glenda an. Ihre Bemerkungen waren nicht lang, aber sie waren aufrichtig und bewegend. »Wir können uns auf folgende Weise an Lily erinnern«, sagte sie zu der Menge, »indem wir Stücke ihres Geistes in unser Leben mitnehmen.«
Phoebe bemerkte, dass Mark, Glendas Ehemann, weiter vorne in der Menge stand. Doch statt aufmerksam zuzuhören, blickte er auf etwas in seiner Hand hinunter. Wahrscheinlich sein BlackBerry, wurde Phoebe klar. Sie spürte erneut diesen nervösen Stich, den sie auch gehabt hatte, als sie letzte
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