Der Kreis der Sechs
überraschenderweise stehen gelassen hatten. Als Phoebe den Bürgersteig in diese Richtung hinab ging, stellte sie fest, dass sie kein Glück hatte. Die Fenster von Nummer 2118 waren dunkel und deuteten an, dass niemand zu Hause war. Doch dann entdeckte sie einen jungen Kerl, der von der weiter entfernten Seite des Hauses auftauchte und vermutlich von einem Parkplatz hinter dem Haus kam. Er durchquerte den Garten und ging die drei Stufen zur Veranda hinauf, wo er den Briefkasten öffnete und seine Hand hineintauchte.
Das ist er, dachte Phoebe, und dann ertappte sie sich dabei, dass sie dachte, nein, das konnte nicht sein. Die Silhouette wirkte zu erwachsen, als dass er gerade erst aus der Schule heraus wäre – er trug einen dreiviertellangen, dunkelgrünen Mantel, gebügelte Khakihosen und Halbschuhe. Doch als sie über den Rasen abkürzte, um das Haus zu erreichen, konnte sie ihn besser sehen und erkannte, dass er nicht älter als dreiundzwanzig sein konnte. Er war ein wenig stämmig, sah gepflegt aus, mit blondem Haar, das vorne ein wenig abstand.
Bevor Phoebe ihm etwas zurufen konnte, registrierte er ihre Bewegungen aus dem Augenwinkel, und sein Kopf ruckte in ihre Richtung.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er und betrachtete sie. Ihr wurde plötzlich klar, dass sie ihn irgendwo schon einmal gesehen hatte. Aber wo, fragte sie sich. Er ging nicht mehr nach Lyle.
»Sind Sie Wesley Hines?«, fragte Phoebe.
»Könnte sein«, erwiderte er kühl. »Hängt davon ab, wer fragt.« Die Stadthaussiedlung war eindeutig nicht eine von diesen zauberhaften Wohngegenden, in denen die Leute einfach vorbeikommen, um ihren neuen Nachbarn Hallo zu sagen.
»Es tut mir leid, Sie zu stören«, sagte Phoebe. »Ich unterrichte am Lyle College. Ich bin in einem Komitee, das sich mit einigen Campus-Problemen befasst. Ich hatte gehofft, ich könnte mich ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten.«
»Ich bezweifle, dass ich Ihnen viel zu sagen hätte«, sagte er, jetzt freundlich. Die Schärfe war aus seiner Stimme verschwunden. »Ich habe dort nur zwei Jahre verbracht – ich bin von einem Community College hergewechselt. Und ich war nicht allzu eingebunden, nachdem ich dort angekommen war.«
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Phoebe. »Ich selbst war am College auch nicht mittendrin. Aber ich interessiere mich für etwas, in das Sie direkt verwickelt waren – die Nacht, als Sie sich im Winamac wiederfanden.«
Einige Sekunden lang starrte Wesley sie nur an. Sie spürte, wie es in seinem Gehirn fieberhaft arbeitete.
»Warum wollen Sie das nach all der Zeit wissen?«, fragte er schließlich.
»Weil, wie Sie vielleicht gehört haben, am vergangenen Wochenende ein Mädchen tot im Fluss gefunden wurde. Ihr Name war Lily Mack. Und ich frage mich, ob es da eine Verbindung geben könnte. Ob es jemand auf Studenten abgesehen haben könnte.«
Wieder das Starren. Dann atmete Wesley hörbar aus.
»Wow«, sagte er. »Ich habe ein ganzes Jahr darauf gewartet, dass mich jemand wegen dieser Nacht ernst nimmt. Ich schätze, besser spät, als nie.«
Ja, dachte Phoebe aufgeregt. Da haben wir es.
»Hätten Sie jetzt ein paar Minuten zum Reden?«, fragte sie. »Ich würde wirklich gerne Ihre Version der Ereignisse hören.«
»Oh, sicher«, sagte Wesley. »Warum kommen Sie nicht herein? Obwohl Sie meine Unordnung entschuldigen müssen. Ich hatte keine Möglichkeit aufzuräumen, bevor ich heute Morgen das Haus verließ.«
Während er in seiner Manteltasche nach den Schlüsseln suchte, überquerte Phoebe den Rest des Rasens und stieg die Verandastufen hinauf. Wesley schloss die Tür auf, und Phoebe folgte ihm ins Haus. Für einen kurzen Augenblick, als sie beide Seite an Seite in dem verdunkelten Raum standen, fragte sich Phoebe nervös, ob es klug war, auf diese Art in das Haus eines fremden Mannes zu gehen, aber sobald Wesley das Licht angeschaltet hatte, entspannte sie sich.
Die Bemerkung über das Aufräumen schien absurd, angesichts der Art, wie das Stadthaus aussah. Das L-förmige Wohnzimmer war unglaublich ordentlich, abgesehen von dem Eagles-Becher auf dem Couchtisch. Der Raum war auch nett eingerichtet, mit einem Ledersofa und einem passenden Sessel.
»Was für ein nettes Plätzchen Sie hier haben«, sagte Phoebe. »Ich nehme an, Sie haben eine einträgliche Anstellung gefunden, im Gegensatz zu anderen, die kürzlich mit dem College fertig geworden sind.«
»Ich habe ziemlich viel Glück«, sagte Wesley, schlüpfte aus seinem Mantel
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