Der Kreis der Sechs
und hängte ihn an einen hölzernen Mantelhaken hinter der Tür. Er war dünner, als sie draußen gedacht hatte – sein Mantel hatte ihn massiger wirken lassen, und sein Kopf, der unverhältnismäßig groß für seinen Körper war, hatte zu der Illusion beigetragen. Er trug einen grauen Strickpullover mit Rundkragen, der zu seinen Augen passte, und darunter ein frisches, weißes Hemd mit durchgeknöpftem Kragen. Er war nicht gerade ein Streber, aber auch nicht das, was irgendein Mädchen als scharfen Typen bezeichnen würde. »Meinem Dad gehört eine Futtermittel-Firma in der Gegend, und ich leite sie im Augenblick. Verstehen Sie mich aber nicht falsch. Ich arbeite mir den Hintern ab.«
»Futtermittel-Firma?«, fragte sie.
»Wir stellen Futter für Vieh her – Kühe, Schweine, Hühner. Natürlich ist das nicht gerade ein boomendes Geschäft, wo all die Farmen in der Umgebung sterben, aber ich habe eine Rasenpflegeabteilung hinzugefügt, die auf Hochtouren läuft. Tatsächlich werde ich mit dem College Geschäfte machen. Ich habe gerade einen Vertrag mit ihnen unterzeichnet.«
Plötzlich wurde ihr klar, wo sie ihn gesehen hatte. Er war einer von den beiden Jungen gewesen, die in jener Nacht vor Lilys Wohnheim in der Menge neben ihr gestanden hatten.
»Das ist wunderbar. Obwohl es klingt, als wäre es letztes Jahr schwer für Sie gewesen, die Leute von der Schule dazu zu bringen, Sie ernst zu nehmen.« Sie wollte auf das zurückkommen, warum sie hier war.
»Ja«, sagte Wesley und schob sich am Couchtisch vorbei, um sich auf die Couch zu setzen. Er ließ seine Beine auseinanderfallen und legte eine Hand auf jedes Knie. »Ich schätze aber, dass ich es ihnen nicht ganz verübeln kann. Sie dachten, ich wäre betrunken gewesen – der typische Collegejunge eben, aber es war immer noch – wenn Sie den Ausdruck entschuldigen – höllisch frustrierend.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mir Notizen mache?«, fragte Phoebe und holte einen Stift und einen Block aus ihrer Handtasche.
Wesley drehte seine Handfläche um, mit einer Bewegung, die sagte, dass sie tun könne, was ihr gefiel. »Ich bin nur froh, dass mir endlich jemand zuhört«, sagte er.
»Also, erzählen Sie mir, was in dieser Nacht passiert ist«, sagte Phoebe, während ihr Stift über einer leeren Seite schwebte. »Sie sind einfach zu sich gekommen, und Ihnen wurde klar, dass Sie irgendwie im Fluss gelandet waren?«
»Nicht irgendwie «, sagte Wesley mit zusammengekniffenen Augen. »Jemand hat mich hineingeworfen.«
15
Moment mal, dachte Phoebe, diesen Teil hatte Hutch nicht erwähnt. Gab es Einzelheiten über den Vorfall, in die Hutch nicht eingeweiht war?
»Haben Sie die Person gesehen? «, fragte Phoebe.
Wesley schüttelte abwehrend den Kopf, als hätte er eine Spur von Zweifel in ihrer Stimme erfasst.
»Nein, ich habe niemanden gesehen, und ich erinnere mich überhaupt nicht daran, wie ich hineingekommen bin. Aber ich wäre niemals, niemals von allein im Fluss gelandet. Ich hatte an diesem Abend ein Bier. Ich bin kein Trinker.«
Kein Trinker. Das waren dieselben Worte, die die Freunde von Scott Macus, dem Studenten, der vor über einem Jahr ertrunken war, anscheinend über ihn gesagt hatten.
»Können Sie bitte von vorne anfangen?«, sagte Phoebe. »Sie waren im Cat Tails, richtig?«
Wesley schürzte seine dünnen Lippen und stieß dann einen Seufzer aus.
»Ja. Es war vor einem Jahr, um diese Zeit – am 16. November. Als ich an diesem Abend aus der Bibliothek zurückkam, sagten einige Typen auf meinem Stockwerk, dass sie ausgehen würden, also beschloss ich mitzukommen. Wir sind schließlich so um zehn in den Laden gegangen.«
»Sind es hauptsächlich Kids aus Lyle, die dort abhängen?«
»Am Wochenende ja, aber nicht so sehr an den Werktagen. Der Laden war ziemlich voll an diesem Abend, aber ich würde sagen, über die Hälfte der Leute waren aus der Stadt.«
»Okay, was haben Sie getan, nachdem sie angekommen waren?«
»Wir bestellten eine Runde Biere an der Bar, standen dort eine Weile und unterhielten uns gemütlich«, sagte er. »Da waren ein paar Frauen aus der Stadt – wenigstens zehn Jahre älter als wir – und sie fingen an, uns anzubaggern. Ich hatte null Interesse, aber meine Kumpels schienen ziemlich auf sie zu stehen. Nachdem ich eine Weile Flankenschutz gegeben habe, schlenderte ich zur anderen Seite der Bar und spielte schließlich mit ein paar Jungs, die ich aus der Schule kannte, aber deren Namen ich
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