Der Kreis der Sechs
ich keine Freundin.« Sein Lächeln wurde fröhlicher. »Aber hey, wenn ich jemanden finde, wird sie vielleicht die Tatsache zu schätzen wissen, dass ich kein Chaot bin.«
»Absolut«, sagte Phoebe. Sie schüttelte ihm die Hand und dankte ihm noch einmal.
Während sie einige Minuten später aus der Stadthaussiedlung hinausfuhr, wog Phoebe ab, was sie von Wesleys Geschichte hielt. Sie konnte verstehen, dass die Campuspolizei ihn skeptisch angesehen haben könnte, als er um zwei Uhr morgens tropfnass ankam, aber sie musste zugeben, dass er jetzt hinreichend glaubwürdig klang. Außerdem schien es keinen guten Grund zu geben, nach all dieser Zeit auf seiner Geschichte herumzureiten, wenn sie nicht wahr war.
Glaubte sie, dass er das beabsichtigte Opfer einer Art von vagabundierendem Serienmörder war? Stockton würde das sicher glauben – und sie würde ihm diese Geschichte heute Abend mitteilen müssen – aber Phoebe fiel es immer noch schwer, die ganze Geschichte zu akzeptieren. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Beweis dafür, dass Scott Macus ermordet worden war, und die Feststellung von Lilys Todesursache stand noch aus.
Und so grauenhaft die Erfahrung für Wesley auch gewesen war, es konnte immer noch nur ein Unfall gewesen sein. Phoebe erinnerte sich, einmal gelesen zu haben, dass die am weitesten verbreitete Vergewaltigungsdroge Alkohol war. In bestimmten Fällen wachte eine Frau neben einem fremden Mann auf, konnte sich nicht daran erinnern, wie sie dort hingekommen war, und nahm an, dass sie unter Drogen gesetzt worden war, aber die Amnesie war tatsächlich das Ergebnis davon, dass sie einen alkoholischen Blackout erlitten hatte. Wesley sagte, dass er in der Nacht nicht viel getrunken hatte, aber er könnte mehr getrunken haben, als er in Erinnerung hatte, oder vielleicht war seine Toleranzgrenze extrem niedrig.
Und was war mit den Sechsen, fragte sie sich. Es schien nichts zu geben, was Wesleys Erfahrung mit der Gruppe in Verbindung brachte. Sie mochten höllisch gemein sein, sie mochten Verlierern zeigen wollen, wer der Boss war, sie mochten vielleicht sogar irgendwie eine Rolle bei Lilys Tod gespielt haben, aber es gab keinen ersichtlichen Grund zu glauben, dass sie spät nachts männliche Studenten zum Fluss lockten. Und doch konnte sie den Gedanken nicht loslassen, dass sie darin verwickelt sein könnten.
Phoebe hatte vorgehabt, vor ihrem Treffen mit Stockton bei ihrem Haus Halt zu machen – um das Licht anzuschalten und sicherzustellen, dass alles in Ordnung war – doch ihr improvisiertes Treffen mit Wesley hatte sie aus ihrem Zeitplan gebracht. Sie fuhr direkt zum Campus, fand einen Parkplatz und sprang in den zweiten Stock des Verwaltungsgebäudes hinauf. Stocktons Büro war gleich den Korridor hinunter von Glendas. Seine Assistentin hatte anscheinend Feierabend gemacht – es war dunkel im Vorzimmer, der Schreibtisch der Sekretärin verlassen. Aber die Tür zu Stocktons Büro war weit genug geöffnet, um einen Lichtstreifen durchzulassen. Phoebe klopfte an die Tür. Von drinnen hörte sie Stocktons gedämpfte Stimme rufen, dass sie eintreten sollte.
Anders als die meisten anderen Büros auf dem Campus vermittelte dieses Büro eine clubartige, an alte Seilschaften gemahnende Atmosphäre – wandfüllende Bücherregale, ein Orientteppich und Lampen mit schwarzen Schirmen, die weiche Lichtinseln im Raum verteilten. Phoebe vermutete, dass Stockton ein wenig von seinem Geld herausgerückt haben musste, um diese Atmosphäre zu erschaffen, denn die Schule hatte kaum ein Einrichtungsbudget.
Stockton blickte nicht sofort auf. Stattdessen fuhr er, mit einer Lesebrille mit Horngestell auf halber Nasenhöhe, fort, das Bündel Papiere in seinen Händen anzustarren. Du willst mich daran erinnern, wer hier die Macht hat, richtig, dachte Phoebe. Ein paar Sekunden später senkte er die Blätter und blickte hoch.
»Danke, dass Sie vorbeigekommen sind«, sagte Stockton, als wäre er es gewesen, der sie herzitiert hatte. »Warum setzen wir uns nicht dort hinüber? Das ist gemütlicher.«
Er deutete auf einen Sitzbereich mit einem Ledersofa und dem passenden Sessel. Während Stockton um den Schreibtisch herumging, nahm Phoebe auf dem Sofa Platz. Vor ihr stand ein Couchtisch, auf dem sich ein geschnitztes Holzkästchen und lederne Untersetzer befanden. Das Einzige, das hier noch fehlt, ist ein Stapel Horse-and-Hound -Magazine, dachte Phoebe.
»Sie haben also heute so eine Art Spritztour unternommen«, sagte
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