Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
auffordernd.
»Die Lage kann wie folgt beschrieben werden«, fing Arn unsicher an. »Die Christenheit hat es mit dem schlimmsten Gegner aller Zeiten zu tun. Er ist schlimmer als Zinki und Nur ad-Din. Saladin hat im Wesentlichen
alle Sarazenen gegen uns vereinigt und ist außerdem ein begabter militärischer Führer. Er ist nur einmal geschlagen worden, als Eure Majestät selbst am Mont Gisard gesiegt haben. Abgesehen davon hat er alle erwähnenswerten Schlachten gewonnen. Wir müssen die christliche Seite in ganz Outremer verstärken, sonst sind wir verloren oder in unseren Burgen und Städten gefangen, und das geht nicht beliebig lange. So ist die Lage.«
»Teilt Ihr diese Auffassung, Großmeister?«, fragte der König hart.
»Ja, Sire. Die Lage ist genau so, wie der Meister von Jerusalem sie beschreibt. Wir brauchen Verstärkung aus unseren Heimatländern. Saladin ist ein ganz anderer Gegner als die, mit denen wir es bisher zu tun hatten.«
»Nun! Dann schicken wir eine Gesandtschaft in unsere Heimatländer, zum deutschen Kaiser, zum König von England und zum König von Frankreich. Hättet Ihr die Güte, an dieser Gesandtschaft teilzunehmen, Großmeister?«
»Ja, Sire.«
»Selbst dann, wenn auch der Großmeister Roger des Moulins von den Johannitern teilnimmt?«
»Ja, Sire. Roger des Moulins ist ein außerordentlicher Mann.«
»Und auch der neue Patriarch von Jerusalem, selbst wenn es sich bei diesem um einen Mann handelt, dem man nachts lieber aus dem Weg gehen sollte?«
»Ja, Sire.«
»Nun, das ist ausgezeichnet. So sei es also. Noch eine Frage, wer ist der beste Heerführer aller weltlichen Ritter in Outremer?«
»Graf Raimund von Tripolis und nach ihm Balduin d’Ibelin, Sire«, antwortete Arnoldo do Torroja eilig.
»Und wer ist der schlechteste?«, stellte der König ebenso schnell die Folgefrage. »Könnte es sich bei ihm möglicherweise um den lieben Mann meiner Schwester, Guy de Lusignan, handeln?«
»Guy de Lusignan mit einem der Ebengenannten zu vergleichen wäre wie der Vergleich von David und Goliath, Sire«, antwortete Arnoldo do Torroja mit einer angedeuteten ironischen Verbeugung. Der König wurde einen Augenblick nachdenklich und schwieg.
»Ihr meint also, dass Guy de Lusignan als David den Riesen Raimund besiegen sollte, Großmeister?«, fragte er amüsiert, nachdem er nachgedacht hatte.
»Das habe ich nicht gesagt, Sire. Wie die Schrift sagt, war Goliath der größte Krieger und David nur ein unerfahrener Knabe. Ohne Gottes Einmischung hätte Goliath in tausend von tausend Kämpfen gegen David gesiegt. Wenn Gott Guy de Lusignan in gleichem Maße unterstützt wie David, dann ist er natürlich ebenfalls unbesiegbar.«
»Aber wenn ihm Gott gerade dann seinen Rücken zuwendet?«, fragte der König mit einem Lachen, das von einem Husten erstickt wurde.
»Dann ist der Kampf vorbei, ehe Ihr Euch’s verseht, Sire«, antwortete Arnoldo do Torroja und verbeugte sich freundlich.
»Großmeister und Meister von Jerusalem«, sagte der König und hustete erneut. Er gab seinem nubischen Sklaven ein Zeichen und dieser eilte wiederum herbei. »Mit Männern wie Euch würde ich gern lange sprechen. Meine Gesundheit hindert mich jedoch daran. Ich wünsche Euch Gottes Frieden und eine gute Nacht!«
Sie erhoben sich von ihren weichen Lederkissen, verbeugten sich und sahen sich besorgt an, als sich hinter
dem Musselin ein Röcheln und Gurgeln vernehmen ließ. Sie drehten sich um und verließen taktvoll das Zimmer auf leisen Sohlen.
Zu seinem großen Erstaunen wurde Pater Louis bereits lange vor der Laudes von Arn de Gothia geweckt, der ihn zusammen mit Frater Pietro zum Morgengebet im Templum Salomonis holte. Arn führte die beiden Zisterzienser durch ein Labyrinth aus Sälen und Gängen, bis sie plötzlich über eine dunkle Treppe direkt in die große Kirche mit der Silberkuppel kamen. Dort warteten bereits die Templer mit ihren Knappen, die sich schweigend an den Wänden des runden Gebäudes aufstellten. Niemand erschien zu spät. Als es so weit war, waren fast hundert Tempelritter und mehr als doppelt so viele schwarz gekleidete Knappen versammelt.
Pater Louis gefiel dieses Morgengebet. Der Ernst, mit dem diese Männer des Krieges sangen, imponierte ihm. Außerdem sangen sie überraschend gut. Das hatte er ebenfalls nicht erwartet.
Nach der Laudes im Templum Salomonis nahm Arn de Gothia seine Gäste zum normalen Rundgang durch Jerusalem mit, den alle Neuankömmlinge erwarteten. Er erklärte
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