Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
warten konnten.
Pater Louis blieb nachdenklich draußen im Bogengang sitzen und dachte nicht ohne ein gewisses Vergnügen über das soeben gehörte Problem nach. Pater Louis knackte gern harte Nüsse.
Die Christen, von denen Arn de Gothia gesprochen hatte, hatten Frauen und Kinder ermorden wollen. Pater Louis wusste allerdings nicht, dass es sich bei diesen um Beduinen gehandelt hatte, da Arn davon nichts gesagt hatte. Für ihn war diese Frage nicht so wichtig wie für einen Neuankömmling.
Gott konnte solche Frevler kaum schützen wollen, überlegte Pater Louis weiter. Dass Gott ihnen einen Templer
in den Weg stellte, war kaum verwunderlich. Zwei von ihnen hatten zweifellos die verdiente Strafe erhalten. So weit kein Problem.
Aber einen Christen für ein seelenloses Pferd zu töten und außerdem noch aus Jähzorn? Vielleicht kam man der Lösung näher, wenn man wie die Philosophen den Nutzen bedachte, den Gott in die Waagschale legte?
Wenn man Arn de Gothias Erzählung über das Pferd für glaubhaft hielt, und das musste Pater Louis, dann hatte dieses seinem Herrn in gottgefälliger Weise dabei geholfen, Hunderte von Gottes Feinden zu erschlagen. War dieses Pferd nicht mindestens ebenso wertvoll wie ein mittelmäßiger Weltlicher, der das Kreuz genommen und aus mehr oder weniger edlen Gründen ins Heilige Land gezogen war?
Theologisch gesehen lautete die Antwort selbstverständlich Nein. Durch das Erschlagen des Pferdes hatte der Frevler der Sache Gottes im Heiligen Land jedoch ebenso geschadet, wie er ihr durch den Mord an einem Ritter geschadet hätte. Diese Sünde musste in die Waagschale gelegt werden. Außerdem hatte der Frevler vorgehabt, zu seinem eigenen Vergnügen unschuldige Frauen und Kinder zu ermorden. Dass Gott ihm seine Strafe durch einen Tempelritter gesandt hatte, war leicht zu verstehen.
Das war die objektive Seite der Sache. Größere Schwierigkeiten machte hingegen die subjektive Seite. Arn de Gothia kannte die Regel und hatte gegen sie verstoßen. Er hatte die Sünde wissentlich begangen. Er war gebildet und sprach perfekt Lateinisch - mit einem lustigen burgundischen Akzent, der an Pater Henri erinnerte, was natürlich nicht verwunderlich war. An der Erkenntnis, dass Arn eine große Sünde begangen hatte, führte kein Weg vorbei, und in diesem Fall konnte nicht einmal mangelnde
Einsicht als mildernder Umstand geltend gemacht werden.
Es gab jedoch noch eine dritte Seite des Problems. Pater Henri war insgeheim als Kundschafter des Heiligen Vaters in Jerusalem unterwegs. Der Heilige Vater war es müde, dass die Männer der Kirche im Heiligen Land ständig übereinander klagten. Sie forderten die Exkommunizierung ihrer Brüder oder baten darum, diese aufzuheben. Sie beschuldigten sich untereinander verschiedenster Sünden und logen oft nachweislich. Besonders unübersichtlich wurde das Ganze dadurch, dass es im Heiligen Land mehr Bischöfe und Erzbischöfe gab als anderswo. Und von Rom aus zu entscheiden, was an diesen Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen dran war, hatte sich als fast unmöglich erwiesen. Pater Louis hatte deshalb vom Heiligen Vater den Auftrag erhalten, als Ohren und Augen des Heiligen Stuhls in Jerusalem zu wirken, möglichst aber ohne dieses Geheimnis zu verraten.
Wäre es, musste man sich fragen, für diesen heiligen Auftrag besser, dass Arn de Gothia weiterhin als Meister von Jerusalem in der gesegneten Armee des Heiligen Vaters wirkte oder dass er von irgendeinem ungebildeten und ungehobelten Mann ersetzt wurde?
Diese Frage war leicht zu beantworten. Dem heiligen Auftrag war am besten dadurch zu dienen, dass Arn de Gothia die Sünden vergeben würden, sodass er weiterhin der Gastgeber von Pater Louis sein konnte. Vor diesem großen und wichtigen Auftrag verblasste sogar die Sünde, aus Jähzorn einen christlichen Frevler erschlagen zu haben. Arn de Gothia würden die Sünden bereits am nächsten Tag vergeben werden. Pater Louis wollte jedoch dem Heiligen Vater in seinem ersten Brief von dieser interessanten
Frage berichten, sodass dieser der Vergebung seinen päpstlichen Segen erteilen konnte. Damit war das Problem aus der Welt.
Als Arn am nächsten Morgen vor der Laudes Pater Louis im Bogengang traf, erhielt er die Vergebung der Sünden im Namen des Vaters, des Sohnes und der Heiligen Jungfrau. Aber als sie gerade auf die Knie sinken wollten, um zusammen ein Dankgebet zu sprechen, wurde Pater Louis von einem üblen Geplärr mitten in der dunklen Stille
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