Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
gestört. Er hatte diese Misstöne schon häufiger vernommen, hatte aber noch keine Gelegenheit gehabt, sich nach ihrer Ursache zu erkundigen.
Arn, der seine Unruhe bemerkte, beruhigte ihn, das seien nur die Muezzins der Ungläubigen, die zum Morgengebet riefen und versicherten, Gott sei groß. Pater Louis verlor vollkommen den Faden, als ihm aufging, dass die ungläubigen Feinde ganz selbstverständlich ihre ketzerischen Gebete inmitten von Gottes heiligster Stadt verrichteten. In diesem Augenblick wollte er sich dieses Problems jedoch nicht annehmen.
Arn dankte Gott für seine Gnade. Aber er war nicht so überwältigt oder erstaunt, wie zu erwarten gewesen wäre, dass ihm seine Sünde so ohne weiteres vergeben wurde und dass seine Buße nur aus einer weiteren Woche mit Wasser und Brot bestand.
Arns geistiger Vater Pater Henri hatte ihm schon früher ähnlich schwere Sünden scheinbar ebenso leichtfertig vergeben. Bereits zum zweiten Mal wurde Arn vergeben, dass er einen Christen getötet hatte. Beim ersten Mal war er sehr jung gewesen, fast noch ein Kind. Damals hatte er sich so ängstlich und ungeübt gegen zwei Bauern verteidigt, die versucht hatten, ihn zu erschlagen, dass er sie beide ums Leben gebracht hatte. Pater Henri hatte erklärt,
dass es die Schuld der Erschlagenen gewesen sei. Außerdem war die Jungfrau Maria eingeschritten, um die Liebe einer Jungfer zu retten und noch anderes, woran sich Arn kaum noch erinnern konnte. Es war ihm jedoch vergeben worden.
Die einzige Sünde in seinem Leben, die ihm nicht ohne weiteres vergeben worden war und die immer noch als seine größte galt, war, dass er seine Cecilia, mit der er verlobt war, auch körperlich geliebt hatte, ehe dieser Bund den vollen Segen Gottes erhalten hatte. Für diese Sünde hatte er jetzt bald zwanzig Jahre Buße getan. Und dennoch hatte er nie ganz verstehen können, warum ihm gerade diese eine Verfehlung nicht hatte vergeben werden können.
Genauso wenig hatte er begriffen, was Gott damit bezweckt hatte, ihn so lange ins Heilige Land zu schicken. Er hatte viele Männer erschlagen, das war richtig. Aber konnte das wirklich alles gewesen sein?
Der neue Patriarch von Jerusalem, das höchste Oberhaupt der römischen Christenheit nach dem Heiligen Vater, war ein Mann, der seinen schlechten Ruf noch mühelos übertraf. Sein Palast lag neben dem Königspalast, und bald war stadtbekannt, dass hier die Nacht zum Tag gemacht wurde. Eine seiner bekanntesten Geliebten wurde bald die Patriarchin genannt, und die Leute spuckten auf ihre Sänfte, wenn sie zu Besuch in die Heilige Stadt kam. Dass es der Königsmutter Agnes de Courtenay nichts ausmachte, wenn der Patriarch neben ihr noch andere Frauen hatte, ließ sich am einfachsten dadurch erklären, dass er sie auch mit anderen Männern teilen musste.
Wie es bei der Wahl des neuen Patriarchen zugegangen war, sollte für immer ein Geheimnis bleiben. Erzbischof Wilhelm von Tyrus, den alle, die sich mit dem Kampf um die kirchliche Macht auskannten, für den selbstverständlichen Kandidaten gehalten hatten, verlor nicht nur den Kampf gegen den Lebemann Heraclius um das Amt des Patriarchen. Er musste außerdem noch die Schmach ertragen, kurz nach diesem schmerzlichen Vorfall exkommuniziert zu werden, und zwar für Sünden, von denen er keine einzige begangen hatte, die aber alle von denen des neuen Patriarchen Heraclius übertroffen wurden.
Der Erzbischof Wilhelm von Tyrus ist in die Annalen eingegangen, während die Geschichtsschreibung um die Taten des Heraclius diskret einen Schleier des Vergessens gehüllt hat. Er musste sich auf eine lange Reise nach Rom begeben, um den Heiligen Vater zu bitten, die Exkommunizierung aufzuheben. Alle waren davon überzeugt, dass ihm das geglückt wäre. Ebenso viele, unter ihnen Heraclius selbst, wussten aber auch, dass der in Kirchendingen bewanderte Erzbischof Dinge zur Sprache bringen konnte, die das Amt des neuen Patriarchen gefährden würden.
Zum großen Unglück für das Heilige Land wurde Wilhelm kurz nach seiner Ankunft in Rom vergiftet. Die Dokumente in seinem Gepäck verschwanden spurlos.
Damit war Heraclius als Patriarch von Jerusalem unangreifbar. Nicht einmal Saladin wusste, wie sehr er dereinst davon profitieren würde.
Die Waffenruhe, die zum Zeitpunkt des Mordes an Wilhelm von Tyrus herrschte, wurde auf die mittlerweile sattsam bekannte Art und Weise gebrochen. Rainald de Châtillon konnte sich nicht beherrschen, als er die reichen
Karawanen
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