Der Krieg am Ende der Welt
guten Jesus, um zu beten.
Auf dem Weg zu den Schützengräben bei Fazenda Velha holen sie die Gerätschaften, die João Abade befohlen hat: Eisenstangen, Brecheisen, Sprengkörper, Äxte, Hämmer. Schweigend verteilt sie der Alte unter sich und seine Söhne, während ihnen João Abade erklärt, die Katholische Wachmannschaft werde die Hunde ablenken, solange sie zur Metzlerin aufsteigen. »Mal sehen, ob die Kleinen sie richtig geortet haben«, sagt er.
Ja, sie haben sie richtig geortet. Pajeú, der sie in Fazenda Velha empfängt, bestätigt es ihnen. Die Metzlerin steht auf der ersten Anhöhe, gleich hinter dem Monte Mário, neben den anderen Kanonen der Ersten Kolonne. Drei Wachtposten haben die »Kleinen« auf der fast senkrecht abfallenden Wand hinter dem Niemandsland und der Linie mit den toten Schützen gezählt. João Grande läßt João Abade und die Macambira bei Pajeú und schleicht durch das Labyrinth der Schützengräben, das sich am Vaza Barris entlangzieht. Von diesen Unterständen und Höhlen aus haben die Jagunços dem Feind die stärksten Verluste beigebracht, denn sobald die Soldaten die Höhen der Favela erreicht hatten und Canudos sahen, rannten sie die Hänge hinunter, der Stadt entgegen, die ihnen zu Füßen lag. Unter dem fürchterlichen Gewehrfeuer hielten sie jäh inne, machten kehrt, drehten sich im Kreise, traten und überrannten sich gegenseitig und entdeckten, daß sie weder vor noch zurück, noch seitlich entkommen konnten und keine andere Wahl hatten, als sich auf den Boden zu werfen und Barrikaden zu errichten. João Grande geht zwischen schlafenden Jagunços durch; in gewissen Abständen springt ein Posten von der Palisade, um sich mit ihm zu besprechen. Der ehemalige Sklave weckt vierzig Männer der Katholischen Wachmannschaft und erklärt ihnen, was sie zu tun haben. Es wundert ihn nicht, als er erfährt, daß es in diesen Schützengräben kaum Verluste gegeben hat. João Abade hatte vorausgesehen, daß die Topographie die Jagunços hier besser schützen würde als irgendwo sonst. Als er mit den vierzig Mann nach Fazenda Velha zurückkommt, diskutieren João Abade und Joaquim Macambira. Der Straßenkommandant will, daß die Macambira Soldatenuniformen anziehen; dadurch hätten sie bessere Aussichten, nach oben zu kommen. Joaquim Macambira lehnt es entrüstet ab. »Ich will mich nicht um die Seligkeit bringen«, knurrt er.
»Du bringst dich nicht um die Seligkeit. Es ist nur, damit ihr lebend wieder zurückkommt, du und deine Söhne.«»Mein Leben und das meiner Söhne ist unsere Angelegenheit«, wettert der Alte.
»Wie du willst«, fügt sich João Abade. »Dann sei der Vater mit euch.«
»Gelobt sei der gute Jesus Ratgeber«, verabschiedet sich der Alte.
Als sie das Niemandsland betreten, kommt der Mond aus den Wolken. João Grande flucht leise und hört seine Männer murren. Ein gelber, runder, riesiger Mond, und anstelle der Finsternis verbreitet sich nun eine zarte Helligkeit über dem erdigen, baumlosen Gelände, das sich in den tiefen Schatten der Favela verliert. Pajeú begleitet sie bis an den Fuß des Hangs. João Grande muß ständig das gleiche denken: Wie konnte er schlafen, während alle anderen wachten? Verstohlen sieht er Pajeú ins Gesicht. Wie lange hat er nicht geschlafen? Drei, vier Tage? Er hat die Hunde von Monte Santo an behelligt, hat ihnen in Angico und an der Schlucht von Umburanas Gefechte geliefert, ist zurückgekehrt nach Canudos, um sie von da aus zu verfolgen, seit zwei Tagen tut er nichs anderes, und hier geht er, frisch, ruhig, verschlossen, und begleitet sie mit den zwei »Kleinen«, die ihn am Hang als Führer ablösen werden. Pajeú wäre nicht eingeschlafen, denkt João Grande. Er denkt: Der Teufel hat mich eingeschläfert, und erschrickt. Denn trotz der vielen Jahre, die seitdem vergangen sind, und der inneren Ruhe, die der Ratgeber seinem Leben verliehen hat, quält ihn zuzeiten der Verdacht, der Teufel, der ihm jenes längst vergangenen Tages, als er Adelinha de Gumúcio tötete, in den Leib fuhr, kaure noch immer im Schatten seiner Seele und warte auf eine günstige Gelegenheit, ihn abermals ins Verderben zu stürzen.
Plötzlich ragt steil, fast senkrecht, eine Wand vor ihnen auf. João Grande fragt sich, ob der alte Macambira da hinaufkommt. Pajeú zeigt ihnen die Linie toter Schützen, die im Mondlicht sichtbar ist. Es sind viele Soldaten; sie waren die Vorhut, und alle sind auf diesem einen Streifen gefallen, hingemäht vom
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