Der Krieg am Ende der Welt
künftig bewaffnete Horden in Uniform aussenden, um ihn gefangenzunehmen, damit er nicht mehr zu den Bedürftigen sprechen könne, aber soviel Blut sie auch vergössen, der Hund würde Jesus nicht beißen. Eine Sintflut werde kommen, dann ein Erdbeben. Eine Sonnenfinsternis werde die Welt so vollkommen verdüstern, daß sie alle, wie Blinde, alles nur noch mit dem Tastsinn machen könnten, und in der Ferne werde der Schlachtenlärm zu hören sein. Tausende würden sterben vor entsetzlicher Angst. Aber wenn sich die Finsternisse lichteten, würden die Männer und Frauen eines durchsichtigen Morgens rings auf den Hügeln und Bergen von Canudos das Heer von Dom Sebastiäo erblicken. Dann hätte der große König die Teufelsbrut geschlagen und die Welt gereinigt für den Herrn. Sie würden Dom Sebastiäo sehen können in seiner blitzenden Rüstung, mit seinem Schwert; sie würden sein gütiges, jugendliches Gesicht sehen, und lächelnd würde er von seinem mit Gold und Diamanten gezäumten Reittier auf sie herabblicken; und sie würden ihn fortreiten sehen, wenn er nach Erfüllung seiner Erlösungsmission mit seinen Heerscharen wieder zurückkehre auf den Grund des Meeres.
Die Lohgerber, die Kleinbauern, die Heilkundigen, die Kaufleute, die Wäscherinnen, die Hausfrauen und die Bettlerinnen, die nach einer Reise von vielen Tagen und Nächten, ihre Habseligkeiten auf einem Karren oder auf Eselsrücken, nach Canudos gekommen waren und nun, in die Dunkelheit gekauert, hier saßen und zuhörten und glauben wollten, fühlten, wie ihre Augen feucht wurden. Sie beteten und sangen mit derselben festen Überzeugung wie die Pilger in alten Zeiten; diejenigen, welche die Gebete, die Gesänge, die Wahrheiten noch nicht kannten, beeilten sich, sie zu lernen. Antônio Vilanova, der Kaufmann von Canudos, war einer der Wißbegierigsten; nachts wanderte er mit Antônio o Beatinho am Flußufer oder an den jungen Saaten entlang, und dieser erklärte ihm geduldig die Gebote und Verbote der Religion, Lehren, die Antônio Vilanova dann an seinen Bruder Honório, seine Frau Antônia, seine Schwägerin Assunção und die Kinder beider Paare weitergab.
An Essen fehlte es nicht. Es gab Korn, Gemüse, Fleisch, und da der Vaza Barris Wasser führte, konnte man säen. Wer kam, brachte Vorräte mit, und aus anderen Dörfern wurden ihnen Geflügel, Kaninchen, Schweine, Hülsenfrüchte, Zicklein geschickt. Der Ratgeber bat Antônio Vilanova, die Lebensmittel zu speichern und die Verteilung unter die Bedürftigen zu überwachen. Ohne besondere Anleitung, aber kraft der Lehren des Ratgebers, fand das Leben in geregelte Bahnen, wenn auch nicht ohne Fehlschläge. Der Beatinho übernahm es, die ankommenden Pilger einzuweisen und ihre Gaben in Empfang zu nehmen, vorausgesetzt, daß es kein Geld war. Wenn sie reis schenkten, das Geld der Republik, mußten sie in Begleitung kampfgeübter Männer, wie João Abade oder Pajeú, nach Cumbe oder Juazeiro gehen und sie dort in Dingen für den Bau des Tempels anlegen: Schaufeln, Picken, Loten, Hölzern von guter Qualität, Heiligenbildern und Kruzifixen. Madre Maria Quadrado verwahrte die Ringe und Ohrringe, die Anstecknadeln, Halsketten, Einsteckkämme, die alten Münzen oder den einfachen Schmuck aus Ton oder Bein, den die Pilger mitbrachten, in einer Urne, und dieser Schatz wurde in der Kirche Santo Antônio ausgestellt, sooft Pater Joaquim aus Cumbe oder ein anderer Pfarrer aus der Gegend kam, um die Messe zu lesen, die Beichte abzunehmen, zu taufen und die Paare zu verheiraten.Diese Tage waren immer Festtage. Zwei steckbrieflich gesuchte Männer, João Grande und Pedrão, die Stärksten in Canudos, leiteten die Trupps, die in den Steinbrüchen der Gegend Steine für das Gotteshaus brachen. Catarina, die Frau von João Abade, und Alexandrinha Corrêa, eine Frau aus Cumbe, von der es hieß, sie habe Wunder gewirkt, bereiteten die Mahlzeit für die Bauarbeiter. Das Leben war bei weitem nicht perfekt und verlief nicht reibungslos. Obwohl der Ratgeber gegen das Spiel, den Tabak und den Alkohol predigte, gab es welche, die spielten, rauchten und Zuckerrohrschnaps tranken, und als Canudos allmählich wuchs, gab es Streit um Weiber, gab es Diebstähle, Besäufnisse, sogar Messerstechereien. Aber all das geschah dort in geringerem Umfang als anderswo und nur am Rand jenes tätigen, brüderlichen, tief religiösen und asketischen Kerns, den der Ratgeber und seine Jünger bildeten.
Der Ratgeber hatte den Frauen nicht
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