Der Krieg Der Diebe
hatte sich beachtliche Mühe gemacht, die Wunde mit konzentriertem Gift und einem Messer so aussehen zu lassen, als hätten die Harka Bey das Freudenmädchen getötet. Er persönlich glaubte nicht, daß die Harka Bey sich mit einer Frau aus der Straße der Roten Laternen befassen würden. Es interessierte ihn auch nicht wirklich, weshalb man sie getötet hatte oder wer die Täter waren. Seine Gedanken beschäftigten sich mit den Methoden der Harka Bey, die sich vielleicht benutzen ließen, sein Elend zu beenden.
2
In letzter Zeit ging es jener Frau besser, die in der Stadt einfach als Cythen bekannt war. Ihre hohen Lederstiefel waren nicht nur neu, sondern für sie maßgefertigt. Auch ihren feinen pelzgefütterten Umhang hatte sie erst vor kurzem erstanden. Eine alte Abwinderin hatte seit dem Eintreffen der Beysiber und ihres Goldes festgestellt, daß man mit einer streunenden Katze mehr tun konnte, als sie nur zu essen. Ja, seit der Ankuft der Beysiber war das Leben hier besser ...
Cythen zögerte. Rasch unterdrückte sie die erwachende Erinnerung und mahnte sich, daß es eine gefährliche Torheit sei, die Vergangenheit herbeizubeschwören. Vielleicht ging es der Abwinderin jetzt besser, und ihr selbst ging es ebenfalls besser als vor einem Jahr, doch nicht uneingeschränkt.
Die junge Frau eilte leichtfüßig durch die Schatten, die das letzte Tageslicht in das Labyrinth warf, und wich den schmutzigen Pfützen auf dem Kopfsteinpflaster aus. Winzige Augenpaare richteten sich auf sie und verschwanden, ehe sie nahe genug war. Die größeren, zweibeinigen Raubtiere dieses Höllenlochs beobachteten sie aus der tieferen Dunkelheit von Eingängen und Sackgassen. Sie schritt an ihnen vorüber, ohne nach links oder rechts zu blicken, trotzdem entging ihr nicht die kleinste Bewegung.
An der Abbiegung zu einer Gasse, die nicht anders war als die Dutzende, an denen sie vorbeigekommen war, vergewisserte sie sich, daß keine Augen vernunftbegabter Kreaturen auf ihr ruhten, und betrat diese Gasse. Hier war es völlig dunkel. Mit Hilfe der Fingerspitzen mußte sie sich zurechtfinden. Sie tastete an den schmutzigen Hauswänden entlang und zählte die Haustüren: eins, zwei, drei, vier. Die Tür war verschlossen, wie angekündigt, doch sie fand schnell die Vertiefungen für die Hände, die in die Außenwand geschlagen waren. Ihr Umhang fiel über die Schultern zurück, als sie hochkletterte. Wäre hier Licht gewesen, hätte man die Herrenhose unter dem Damenkittel sehen können und das mittellange Schwert, das von ihrer linken Hüfte hing. Sie schwang sich über die Mauerkrone und sprang in den schmutzigen Hof eines längst aufgegebenen Tempels.
Ausgerechnet hier im Labyrinth, wo er äußerst unwillkommen war, schien der Mond auf die Steintrümmer eines ehemaligen Altars. Sie hielt ihren Umhang zusammen, als wäre er aller Ursprung von Mut und Tapferkeit, und kniete sich zwischen die Steine.
»Mein Leben für Harka Bey!« flüsterte sie. Dann, da niemand es ihr verbot, zog sie ihr Schwert und legte es auf ihre Schenkel.
Lythande hatte gesagt - oder es vielmehr angedeutet, denn Magier und ihresgleichen sagten selten etwas eindeutig -, daß die Harka Bey sie erst auf die Probe stellen würden, ehe sie ihr Gehör schenkten. Um Bekins willen und ihres eigenen Rachebedürfnisses, schwor Cythen, daß sie nichts an ihr auszusetzen finden würden. Das unruhige Mondlicht nährte ihre Ängste, trotzdem verhielt sie sich ganz still.
Die Dunkelheit, beruhigend, solange sie sie eingehüllt hatte, war nun nur aus den Augenwinkeln zu sehen, genau wie ihre Erinnerungen an bessere Zeiten immer am Rand ihrer Gedanken lauerten. Einen Herzschlag lang war sie wieder das junge Mädchen von früher, und die Dunkelheit sprang sie an. Fast wäre ihr ein Schreckensschrei entquollen, ehe sie sowohl Erinnerung, wie alte Ängste verdrängte.
Bekin war ihre ältere Schwester gewesen. Als das Unglück sie heimsuchte, war sie verlobt gewesen. Sie hatte den blutigen Tod ihres Liebsten mit ansehen müssen und war danach zum Opfer der Lüste der Mörder geworden. Keiner der Banditen hatte Cythen bemerkt: die zierliche, drahtige Cythen in Burschenkleidung. Der jüngeren Schwester war die Flucht in die Dunkelheit geglückt, wo sie wartete, bis die Wirkung des Saufens, Mordens und Schändens sich bei sämtlichen Halunken bemerkbar machte und sie ihre bewußtlose Schwester in die verhältnismäßige Sicherheit des Waldes zerren konnte.
Unter Cythens Pflege waren
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