Der Krieg der Ketzer - 2
ablenkten. Herzog Malikai war ein hochgewachsener Mann mit dem hellen Haar und der hellen Hautfarbe, die er von seiner Mutter geerbte hatte; sie stammte aus Tiegelkamp. Im Gegensatz zu der Kabine mit all ihren Schäden – oder auch dem Lieutenant, der Thirsk hierhergeleitet hatte –, war Malikais Äußeres absolut makellos; nirgends war ihm anzusehen, welchen furchtbaren Sturm ›sein‹ Flaggschiff durchlitten hatte. Sein sorgfältig gepflegter Bart verdeckte geschickt das wenig schmeichelhafte fliehende Kinn, doch ansonsten war er zweifellos ›gutaussehend‹. Er war breitschultrig und auffallend kräftig, und er hatte das, was die Hofdamen stets als ›Denkerstirn‹ bezeichneten.
Und wahrscheinlich, dachte Thirsk, verbirgt sich dahinter sogar ein funktionierendes Gehirn. Aber das merkt man leider nur selten.
Malikai, der in ein Gespräch mit zwei der jüngeren Commodores vertieft gewesen war, blickte auf, als Thirsk in die Kabine geführt wurde.
»Ah, Mein Lord!«, sagte er und strahlte, als gehöre Thirsk zu den Menschen, die er am meisten schätzte. »Es ist gut, Sie hier zu sehen.«
»Ich danke Euch, Euer Durchlaucht«, erwiderte Thirsk mit einem deutlich zurückhaltenderen, aber nicht weniger falschen, Lächeln. »Und darf ich sagen, dass ich zutiefst beeindruckt bin, wie Captain Ekyrd das Schiff unter den gegebenen Umständen führt?«
»Ich werde dieses Kompliment an den Captain weiterleiten«, versicherte Malikai ihm, doch das Lächeln des Herzogs schien ein wenig zu schwinden, als er auf diese Weise erneut an das furchtbare Wetter erinnert wurde, in das die Flotte geraten war. Vielleicht lag es auch an dem in dieser Bemerkung verborgenen Hinweis, wo sie in dieses Wetter geraten war. Dann blickte er sich in der Kabine um – trotz ihrer luxuriösen Ausmaße wirkte sie überfüllt –, und räusperte sich lautstark.
»Meine Herren, meine Herren!«, sagte er. »Ich denke, wir sind jetzt vollzählig, also sollten wir uns an die Arbeit machen.«
Selbstverständlich war es ganz so einfach dann doch nicht. Erst kam das unvermeidbare Ringen um die angemessenen Sitzplätze an diesem gewaltigen Konferenztisch. Dann wurden die ebenso unvermeidbaren Brandy-Flaschen aufgetragen, gefolgt von den unvermeidbaren, übertriebenen Schmeicheleien ob ihrer Qualität. Einer oder zwei der Commodores am Tisch blickten sich mit der gleichen Ungeduld um, die auch Thirsk verspürte, doch die meisten der anwesenden Offiziere waren erfahren genug, um genau zu wissen, wie dieses Spiel hier gespielt werden musste, und so warteten sie, bis Malikai sein Glas abgestellt hatte und sich erneut umschaute.
»Wir sind gewiss alle wenig erfreut über das Wetter des letzten Fünftags«, sagte er, und es gelang Thirsk gerade noch, sich das Lachen ob dieser ungeheuerlichen Untertreibung zu verkneifen.
»Ganz offensichtlich machen es der Sturm und dessen Folgen erforderlich, unseren geplanten Kurs zu überdenken«, fuhr Malikai mit seiner tiefen, volltönenden Stimme fort. »Mir ist sehr wohl bewusst, dass es von Anfang an unterschiedliche Meinungen darüber gegeben hat, welches die beste Route sei. Angesichts der ausdrücklichen Anweisungen seiner Majestät vor unserer Abfahrt, die anschließend wiederholt durch entsprechende Semaphoren-Nachrichten bestärkt wurden, waren wir offensichtlich gezwungen und verpflichtet, uns für genau den Kurs zu entscheiden, den wir nun einmal genommen haben. Und nicht nur das: Es wird von der tarotisianischen Flotte erwartet, mit uns an einer Position zusammenzutreffen, die wir gemäß unseres ursprünglichen Kurses erreichen sollten.
Dennoch erscheint es mir erforderlich, über Alternativen nachzudenken.«
Er lehnte sich zurück, mit seiner Erklärung offensichtlich hochzufrieden, und Thirsk wartete einen Augenblick ab, ob irgendjemand darauf etwas erwidern wolle. Dann räusperte er sich, um das unangenehme Schweigen zu brechen, das sich über den Konferenztisch gesenkt hatte.
»Euer Durchlaucht«, setzte er an, »niemand würde bestreiten wollen, dass es unsere Pflicht war, den ursprünglich ausgegebenen Befehlen und Anweisungen Folge zu leisten, solange sich das in irgendeiner Weise als praktikabel erwies. Aber sämtliche Berichte, die ich im Laufe unserer Reise bislang von örtlichen Lotsen und Schiffsführern erhalten konnte, lassen darauf schließen, dass es ungleich schwieriger ist, Samson’s Land durch die Schueler-Meerenge zu umfahren – vor allem um diese Jahreszeit. Die Strömungen und
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