Der Krieg der Ketzer - 2
der Wimpel zu erkennen, der verriet, dass es dem Kommando von ›Admiral‹ Malikai unterstand. Thirsk konnte gerade noch der Versuchung widerstehen, angesichts dieses Anblicks verächtlich auszuspucken.
Auch an Deck seines eigenen Flaggschiffs wurden Befehle hin und her gerufen, und das Spill rasselte, als die Mannschaft der Gorath Bay den Anker lichtete. Die Gorath Bay war kleiner und älter als die König Rahnyld, sie war nicht so prunkvoll vergoldet, ihre Schnitzereien waren nicht so aufwändig wie bei der Gorath Bay, und ihre Galionsfigur stellte auch nur einen einfachen Kraken dar, nicht etwas die fast doppelt-übermannsgroße Darstellung König Rahnylds, atemberaubend bemalt und vergoldet, die das Flaggschiff der Flotte zierte. Zudem lag sie tiefer im Wasser und war deutlich wendiger als das riesige, schwerfällige weiße, drachenartige Flaggschiff. Malikais Schiff war nichts anderes als eine Verkörperung des königlichen Egos, dessen war sich Thirsk sicher. Und das machte es natürlich völlig undenkbar, dass Malikais Wimpel an einem anderen als eben diesem Schiff wehen sollte.
Die Gorath Bay vollführte einen kurzen, ruckartigen Satz, als die Flügel des Ankers sich aus dem sandigen Grund der gleichnamigen Bucht lösten. Die Männer an der Pumpe wuchteten die Griffe auf und ab, Wasser schoss aus dem Schlauch und spülte Schlamm und Schlick von der Ankertrosse, die sich stetig aus dem Gewässer hob.
Der Anker hatte das Schiff so gehalten, dass es geradewegs im Wind gestanden hatte; nun fiel es etwas davon ab, und neue Befehle wurden erteilt, während der stetige Paukenschlag erklang, der dafür sorgte, dass die Riemen gleichmäßig durch das Wasser gezogen wurden. Weiße Schaumkronen tanzten auf der Bucht, und die Ruderer mussten sich heftig anstrengen, bevor sie richtig Fahrt aufnahmen und der Rudergänger sie zurück in den Wind steuern konnte.
Dieser Wind wehte aus Südwesten, und das bedeutete, dass er der Galeere fast genau entgegenkam, als sie nun aus der Bucht heraussteuerte. Die Galeeren würden ihren Ankerplatz unter Riemen verlassen, und so würde es auch bleiben, bis sie Lizard Island passiert hatten und dann nordwärts wendeten. Danach würde der Wind fast genau von der Seite kommen – zumindest bis sie nach Westen würden schwenken müssen, um durch den Golf von Dohlar die Harchong-See zu erreichen. Das versprach ein äußerst anstrengendes Unterfangen zu werden, gerade angesichts der Winde, die um diese Jahreszeit zumeist vorherrschten.
Dieser Gedanke brachte Thirsk dazu, kurz das Gesicht zu verziehen, dann verschränkte er die Hände hinter dem Rücken, trat forschen Schrittes an die Reling des Achterdecks heran und betrachtete noch einmal den Rest der Flotte. Wie nicht anders zu erwarten, setzte sich die König Rahnyld deutlich langsamer und schwerfälliger in Bewegung als fast alle anderen Schiffe. Nicht, dass das allzu viel ausmachte. Eine Flotte von mehr als einhundertzwanzig Galeeren, begleitet von sechsundzwanzig schwerfälligen Transportern und Versorgungsschiffen, würde die Bucht gewiss nicht gerade eilends verlassen können. Malikais schwerfälliges Flaggschiff blieb also genügend Zeit, sich hinterherzuschleppen.
Wenn doch nur dieser ›Admiral General‹ wenigstens die leiseste Ahnung hätte, was er eigentlich mit all diesen Schiffen anstellen sollte!
Thirsk stand auf dem Achterkastell und betrachtete das Panorama des gewaltigen Hafens, während die Gorath Bay die Mole langsam hinter sich ließ. Die Mauern der Hauptstadt von Dohlar schimmerten im Sonnenlicht, und diese immense Ansammlung an Schiffen bot einen atemberaubenden Anblick. Doch trotz des pflichtschuldigst-fröhlichen Jubels der Bevölkerung, die Thirsks Mannschaften verabschiedete – und auch trotz der ernsten Erläuterung seiner Majestät, in der er die Gründe dargelegt hatte, warum Dohlar gegen das weit entfernte Königreich Charis in die Schlacht ziehe –, schien keiner der Seeleute und keiner der Soldaten an Bord der Galeeren so recht zu wissen, wohin sie eigentlich fuhren – oder warum.
Und damit unterscheiden sich diese armen Kerle kaum von mir selbst, was?, dachte er sarkastisch. Natürlich weiß ich, von wem die Idee in Wirklichkeit stammt. Damit bin ich denen wohl zumindest ein Stückchen voraus.
Er biss sich auf die Lippen, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf fuhr, doch dann musste er sich kurz an der Reling festhalten und sich einen etwas festeren Stand suchen, als die Gorath Bay nach und nach
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