Der Krieg der Trolle
fügte Kerr hinzu: Jeder weiß das. Und damit begann er zu verstehen, was sie eigentlich sagen wollte. » Alle erwarten, dass du wie Pard wirst.«
Sie schnaubte. » Ja. Und schuld daran sind deine dämlichen Kratzer im Fels. Alle Trolle kennen Pards Geschichte und wissen von seinen Taten.«
Das war eine Konsequenz seiner eigenen Taten, die Kerr bislang nicht einmal geahnt hatte. Druans Schrift war der Versuch, das Wissen und die Erfahrung von Generation zu Generation weiterzugeben, ein großes Geschenk an alle Trolle.
» Aber niemand zwingt dich, deinen Stamm zu führen.«
» Einige haben es mir gesagt. Bei anderen habe ich es in ihren Blicken gesehen. Sie wollten, dass ich Rask herausfordere, ihn besiege und seinen Platz einnehme.«
» Und warum hast du es nicht getan?«
Tarka schüttelte das massige Haupt. Sie setzte an, etwas zu sagen, schwieg dann aber. Aus dem Augenwinkel nahm Kerr zwei Trolle wahr, die näher an sie herangekommen waren, und er bedeutete ihnen, dass sie wieder verschwinden sollten. Er merkte ihnen an, dass sie ihn nur ungern mit der fremden Trollin allein ließen, und dennoch folgten sie seiner Bitte.
» Ich … ich habe mich gefragt, ob ich das kann. Einen Stamm zu führen, das bedeutet mehr, als nur stark und ein guter Jäger zu sein. Man muss Entscheidungen treffen. Das Leben aller hängt von einem ab.« Tarka sah ihn an. Verstehen leuchtete in ihren Augen. » Du kennst das.«
Kerr nickte. Er konnte den Schmerz in Tarkas Stimme hören, und so nahm er sich Zeit, um die richtigen Worte zu finden. » Druan wäre ein guter Anführer gewesen. Er wusste viel, traf die richtigen Entscheidungen, vertraute auf den Rat anderer, wenn sie mehr Erfahrung als er hatten. Nur wäre er niemals stark genug gewesen, um sich auf Dauer zu behaupten. Aber er fand seinen Platz an der Seite eines Trolls, der gegen jeden gewinnen konnte – selbst gegen Anda, die erste Tiefentrollin.«
» Pard hat auf Druan gehört?«
» Nicht immer. Er war ein guter Stammesführer, deshalb hat er oft auf seine eigenen Instinkte vertraut. Und auch Druan hat Fehler gemacht, so wie wir alle. Aber sie teilten sich die Last der Entscheidungen. Pard der Jäger und Krieger, Druan … nun ja, der weise Troll?«
Tarka stieß einen Seufzer aus. » Woher weiß man, auf wessen Rat man hören soll?«
Kerr zuckte mit den Schultern. » Wenn ein Troll oft Recht hat, wirst du das früher oder später bemerken. Redet er nur Unsinn, erkennst du das sowieso. Ein guter Anführer weiß, wem er Vertrauen schenken kann und wen er im Auge behalten muss.«
» Du berätst Res«, stellte Tarka fest. » Du bist wie Druan.«
» Ich habe viel von ihm gelernt. Pard hat meinen Worten vertraut. Es ist einfach so gekommen.«
Tarka schwieg lange. Ihre Schultern hingen herab, sie sah besiegt oder zumindest erschöpft aus. Kerr konnte ihre Verwirrung riechen.
» Er ist nie zu mir gekommen, weißt du?« Sie blickte ihn an. » Und er war tot, bevor ich meinen Namen erhalten habe. Alles, was ich von ihm weiß, sind Geschichten, die du in den Fels geritzt hast.«
Kerr nickte langsam. » Ich kann dir von ihm erzählen, wenn du magst. Ich kannte ihn gut, vermutlich besser als die meisten.«
» Ich glaube, dass würde mir gefallen.«
Und so berichtete Kerr ihr von seiner Zeit mit Pard, als Druan noch gelebt hatte, von dessen Tod, Pards Reaktion, von den langen Kämpfen gegen Andas Kinder. Er erzählte ihr von Pards aufbrausendem Temperament, seinem beißenden Spott, von der Last, die er auf sich nahm, um seinen Stamm zu führen. Er erzählte von seinen Jagden und Kämpfen, von seiner Stärke und seinem unbeugsamen Willen. Dass er niemals aufgab. Und Tarka lauschte seinen Worten schweigend.
» Wir lernen aus den Taten unserer Vorfahren«, schloss Kerr, als das Wichtigste gesagt war. » Früher haben wir uns von ihnen erzählt und aus den Geschichten Weisheit gewonnen. Wir können ihre Fehler vermeiden und ihnen in dem folgen, womit sie erfolgreich waren. Pard wusste das. Er wusste auch, dass Trolle allein nichts sind. Wir sind in der Gemeinschaft stark, im Stamm. Als er Anda besiegte, hat er alle Trolle gerettet. Und er hat sein Blut dafür vergossen und am Ende sein Leben dafür gegeben, und ich weiß, dass er es gern getan hat. Wenn tatsächlich die Geister unserer Ahnen auf uns warten, wenn wir sterben, dann werden sie ihn mit Stolz empfangen haben.«
» Glaubst du das wirklich?«, murmelte Tarka.
» Ich weiß es nicht. Aber manchmal … manchmal glaube
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