Der Krieg der Trolle
versuchen wir es mit dem Aufstehen«, schlug ihr Gastgeber vor, und Artaynis merkte, wie sich ihr grummelnder Magen auf die Mahlzeit freute.
» Gern«, erwiderte sie. Dann blickte sie sich um. » Wo ist Rugarr?«
» Rugarr? Ist das der Name des Zwerges, der dich begleitet hat?«
Sie nickte.
» Dein Freund ist bereits wieder fort. Er hat dich zu mir gebracht und ist gleich darauf verschwunden. Er hat gesagt, er könne nicht warten, bis du aufwachst. Ich gebe zu, dass mich euer Auftauchen ziemlich überrascht hat. Ich habe kaum je Patienten, die mit dem Kleinen Volk reisen.« Er schien zu überlegen, dann lachte er leise in sich hinein. » Um genau zu sein, war das der erste Zwerg, den ich leibhaftig gesehen habe.«
Damit wandte er sich ab, und Artaynis hörte, wie der alte Mann die Treppe hinunterlief. Kurze Zeit später kam er mit einer Schüssel zurück.
» Aus Ziegenmilch«, erklärte er und reichte ihr die Schale.
Ohne viel Aufhebens führte Artaynis das Gefäß an die Lippen. Ihrem ausgehungerten Magen kam die schlichte Suppe einfach köstlich vor. » Danke«, murmelte sie zwischen zwei Schlucken.
Der alte Mann bedachte sie mit einem Lächeln. » Vielleicht fangen wir erst einmal mit den Höflichkeiten an, bevor ich dich mit Fragen zu deiner Reisegesellschaft löchere. Ich bin Andor, ein ehemaliger Diener des Albus Suna s . Und wer bist du?«
Also hat der Zwerg nichts gesagt, sondern mir die Entscheidung überlassen, was ich über mich preisgeben will. Artaynis war sich nicht sicher, ob ihre Kleidung ihre Herkunft nicht bereits verraten hatte. Andererseits sah etwas so Praktisches wie Hemd und Hose vermutlich überall ziemlich gleich aus.
» Ein ehemaliger Diener des Albus Suna s ?«, hakte sie nach, um Zeit zu gewinnen. » Geht das denn?«
» Man hört nie auf, ein Priester der ewigen Sonne zu sein«, erwiderte Andor mit ernster Miene. » Aber man kann sehr wohl aus dem Orden austreten.«
Ein abtrünniger masridischer Sonnenpriester. Nun gut. » Mein Name ist … Aurica«, improvisierte Artaynis und hoffte, dass der Name wlachkisch genug klang. Sie wusste, dass sie kaum als Masridin durchgehen würde. » Ich komme aus dem Mardew.«
» Dann bist du mit dem Zwerg gemeinsam geflohen? Vor den Truppen des Usurpators?«
Artaynis spürte, wie kalte Angst sich in ihrem Magen ausbreitete. Des Usurpators? Sie wusste, wen Andor damit meinen musste, aber sie wollte den Gedanken nicht zulassen.
» Ja. Nein«, antwortete sie ausweichend. » Der Zwerg hat mich in die Gebeine der Welt mitgenommen, und wir sind unter Tage geflohen. Als wir wieder an die Oberfläche kamen, hatte mich bereits diese Spinne gebissen. Deshalb weiß ich nicht viel von dem, was hier passiert ist.«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. Eine steile Zornesfalte zeigte sich auf seiner Stirn. » Bojar Ionnis hat sich gegen seinen Bruder erhoben. Er wirft Natiole vor, die Wlachaken an die Masriden verkauft zu haben und gemeinsame Sache mit Marczeg Ana zu machen. Angeblich will der Voivode ihr seine eigenen Leute ausliefern, damit sie über sie herrschen kann, wie Fürst Zorpad es einst getan hat.« Andor schnalzte abfällig mit der Zunge. » Unfug, sage ich. Ich lebe schon immer hier im Grenzland zwischen den beiden Völkern. Ich habe meinen Orden verlassen, weil mir nicht gefallen hat, wie sie dort über die Wlachaken denken. Ich glaube daran, dass Frieden zwischen uns herrschen sollte, und ich weiß, dass hier nichts vorgefallen ist, was einen solchen Vorwurf gegen den Voivoden rechtfertigen würde. Dieser dyrische Bastard giert nach dem Thron, wenn du mich fragst, und das ist aller Grund, den er braucht, um seinen Bruder anzugreifen.«
Als sie diese Worte hörte, war Artaynis froh, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Vermutlich wäre ich hier nicht mehr allzu willkommen, wenn ich ihm mitteilen würde, dass ich die Frau dieses dyrischen Bastards bin.
Sie ließ sich auf ihr einfaches Lager zurückfallen. Also hat er es wirklich getan. Ionnis hat seine Truppen gesammelt, um Natiole anzugreifen. Und vielleicht weiß der Voivode noch immer nichts von dem, was unter der Welt geschehen ist.
» Ich muss nach Teremi«, sagte sie schnell. » Könnt Ihr mir dabei helfen?«
» Teremi?« Andor wiegte bedächtig den Kopf. » Der Voivode zieht viele Soldaten in Teremi zusammen. Der Bastard wird die Hauptstadt angreifen. Das glauben alle. Schon bald werden sie die Tore schließen. Dann wird es sicher ziemlich schwer werden, noch in die Stadt zu kommen.
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