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Der Krieg der Trolle

Der Krieg der Trolle

Titel: Der Krieg der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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geräuschlos zu bewegen. Obwohl es gar nicht so lange her war, dass Natiole gerüstet an Kerrs Seite durch Colchas geschlichen war, immer bemüht, die bis an die Zähne bewaffneten dyrischen Wachen zu meiden, schien ihm das nun ein halbes Leben her zu sein. Seit dem Tode seines Vaters, all die Zeit auf dem Thron von Wlachkis, hatte er sich verändert.
    Aber einige Dinge vergaß man nicht. Die Jahre seiner Ausbildung, die endlosen Übungskämpfe, machten sich nun bezahlt. Seine Bewegungen waren instinktiv. Er nutzte geschickt jede Deckung, erprobte den Boden, bevor er auftrat, huschte von Schatten zu Schatten. Und Radu tat es ihm gleich. Der junge Wlachake war ein geübter Jäger, und er zeigte, was er konnte.
    Sofern es im Wald Wachen gab, stießen sie zumindest nicht auf sie. Zuerst bewegten sie sich fort vom Magy, einen flachen Hang empor. Dann über die Kuppe des Hügels, bevor sie ein Stück bergab gingen. Zwischen den Bäumen sah Natiole in der Ferne den ersten Feuerschein.
    Schon bald wurden es mehr, und als sie aus dem Wald traten, bot sich ihnen ein unfassbarer Anblick: unzählige Feuer, vor denen sich winzig klein Gestalten abzeichneten, brannten in dem flachen Tal unter ihnen, an den umliegenden Hängen sowie auf zweien der Hügel.
    » Bei den Geistern«, murmelte Radu, » das müssen Tausende von Bewaffneten sein!«
    Natiole nickte grimmig. Er hatte sich das Schlimmste vorzustellen versucht, doch dies übertraf seine Befürchtungen bei Weitem. Er hoffte, dass Ionnis zusätzliche Feuer hatte entzünden lassen, um etwaige Späher zu täuschen, aber tief in seinem Innersten wusste er, dass dem nicht so war. Woher hast du all diese Krieger? Wer folgt deinem Banner?
    Natiole ging in die Hocke, stützte sich an einem Baumstumpf ab und begann zu zählen, um sich ein genaueres Bild von der Lage zu machen.
    » Hundertneunzehn, vielleicht ein paar mehr oder weniger«, sagte er schließlich.
    » Wie viele Soldaten mögen das sein?«
    Zwischen den Feuern zeichneten sich Zelte ab. Es war Bewegung zu sehen.
    » Ich weiß es nicht«, gestand Natiole nach kurzem Zögern. » Es sind bestimmt vier- oder fünftausend. Eventuell sogar mehr.«
    Radu fluchte leise. » Wie viele haben deinem Ruf bislang Folge geleistet?«
    » Sechshundert sind bis heute Abend in Teremi eingetroffen. Selbst wenn wir alle waffenfähigen Einwohner der Stadt auf die Mauern schicken, kommen wir nicht über tausend Bewaffnete.«
    » Eins zu fünf.«
    Radu sprach nicht weiter, aber Natiole wusste, was er meinte. Kein Kräfteverhältnis, das Anlass zur Zuversicht gab. Teremis Mauern sind dick und hoch, die Stadt selbst ist eine Festung, und dann bleibt noch die Feste Remis, falls wir die Stadt nicht halten können. Große Mengen an Vorräten waren in Stadt und Burg eingelagert worden, für den Fall einer Belagerung. Sie konnten den Winter überstehen, was einer Armee vor den Toren schwerfallen würde. Die Wehranlagen waren stets instand gehalten worden und würden gute Dienste leisten. All das waren Vorteile der Verteidiger, von denen Natiole wusste. Aber angesichts des Lagers unter ihnen spürte er, dass es dennoch zu wenig sein mochte.
    » Wir werden uns in der Stadt einigeln müssen«, knurrte Natiole. » Sie am Flussufer zu empfangen wäre Wahnsinn.«
    Seine ursprüngliche Hoffnung, dass sie den breiten Strom als natürliche Barriere nutzen und eine Überquerung verhindern könnten, hatte sich soeben angesichts der gegen sie ins Feld geführten Kräfte in Luft aufgelöst.
    » Sollen wir näher herangehen?« Radu wies auf den rechten Hügel. » Dort gibt es genug Deckung, wenn wir hinter dem Kamm bleiben.«
    Natiole überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. Er hatte Späher ausgesandt, die längst in Position sein sollten, Männer und Frauen, die ihm Bericht erstatten würden. Sie würden ihr Bestes geben, um den Feind zu zählen, sobald die Sonne aufging, und dann über Stärke und Zusammensetzung der Armee berichten. Es gab keinen Grund, sich hier noch mehr in Gefahr zu begeben.
    Glaube ich jetzt endlich, was alle sagen?, fragte er sich selbst niedergeschlagen. Dass es die Wahrheit ist? Dass mein eigener Bruder eine Armee gegen mich führt? Unwillkürlich trat ihm das Bild seines Vaters vor Augen. Nichts hätte schlimmer für ihn sein können.
    » Wir ziehen uns zurück. Ich habe alles gesehen, was ich sehen musste.«
    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Irgendwo dort unten im Tal war Ionnis. Vermutlich in einem der Zelte im Zentrum.

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